Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
haben können. Ich finde das gut. Ich finde das sehr gut, Mr. Ripple, Sie nicht auch?«
Wir waren an der Tür. Er bewegte seine Hand an meinem Arm nach oben und drückte ihn, als wollte er meinen Bizeps testen.
»Sicher«, sagte ich. »Was immer Sie anmacht.«
»Was dasselbe ist wie den Fernseher anmachen«, lachte er, erfreut über seinen Witz. »Tut mir leid, wenn ich Sie gelangweilt habe. Ich habe mich überhaupt nicht nach Ihnen erkundigt, und jetzt sind Sie Großvater.« Er öffnete mir die Tür. »Die Zukunft.
Hoffnung. Ich wünsche dem Kind sehr viel Glück. Junge oder Mädchen?«
»Mädchen.«
»Ausgezeichnet. Wirklich ganz ausgezeichnet. Anstelle von eigenen Kindern haben meine Frau und ich die Kinder vieler anderer Leute, die zu uns kommen und bei uns fernsehen und auf unserem Boden schlafen. Drei Hurras für die freie Marktwirtschaft. Frei für andere und nicht sehr wirtschaftlich für uns, sage ich immer zu meiner Frau.«
Er lachte noch einmal kurz und heftig auf. Und auch ziemlich zu Recht. Als ich die Treppe hochstieg, drehte ich mich noch einmal zu ihm um. Das Spiel der Schatten zeichnete einen tiefen, schwarzen Riß auf seine Wange. Und in diesem Augenblick glaubte ich, daß er alles, was er mir gesagt hatte, nur aus Freundlichkeit und Höflichkeit gesagt hatte. Die Bücher hatte ich liegengelassen.
Der Krieg hat angefangen. Einige Leute sind der Ansicht, daß das nie hätte passieren dürfen. Die meisten aber wollen jede Menge Zerstörung und Gemetzel, und sie wollen es schnell. Ich gehe die Leute durch, die ich gekannt habe, und frage mich, was sie wohl darüber denken. Ich bin froh, daß das Thema in den Unterhaltungen mit meiner Tochter und meiner Frau nicht zur Sprache kam. Jenners hätte sicher eine Menge darüber zu sagen, Hipkin überhaupt nichts und Webb wahrscheinlich ebensowenig. Plaskett — schnell zum nächsten. Sidney — noch einmal dasselbe. Der Colonel, der hätte wohl einfach gesagt, es dürfte ein abscheuliches, gräßliches Massaker werden. Geoffrey und Gwen und Ruth wahrscheinlich etwas viel zu Blasiertes. Die Ballerinen ... ist es mal wieder soweit? Wieder das Hämmern von unten. Ich schaue hinunter auf die mondhelle Straße. Kein Volvo. Gedankenlose, rücksichtslose, kleine Schlampen usw. Ich habe Halsschmerzen und fühle mich elend. Mit meinem Fernglas habe ich beobachtet, wie in den Häusern gegenüber in einem Fenster nach dem anderen das Licht ausging. Der Frost liegt auf den schiefen Zäunen und den kahlen Ästen wie Staub. Muß einfach hier sitzen bleiben, bis der Volvo zurückkommt. Gott sei Dank gibt es Gaviscon ...
Vor ein paar Minuten hörte ich ein Auto vorfahren und dann Türenknallen. Ich ging zum Fenster und sah Foster mit einer Frau im Arm aufs Haus zuschwanken. Sie schien ihn zu stützen. Am Vordertreppchen schaute sie zu mir hoch und dann noch einmal zur Straße, als wollte sie nachsehen, ob sie verfolgt würden. Ihre blonden oder grauen Haare umrahmten ihren Kopf, so daß es anfangs aussah, als würde sie eine große Pelzmütze tragen. Im Lampenschein wirkten ihr Gesicht weiß und die Lippen schwarz. Sie war keine junge Frau. Als sie die Stufen hochstiegen, zog er sie an sich und küßte sie heftig. Sie versuchte, ihn wegzustoßen, und ihr Mund öffnete sich weit, so daß Schwärze ihr Gesicht ausfüllte, und den Kopf hatte sie in den Nacken geworfen, als würde sie stumm zum Himmel schreien. Ich stellte mir vor, wie sie lachte, während sein Kuß ins Leere ging. Dann stolperte er hinter ihr her die Treppe hoch, und ich verlor sie aus den Augen. Er hätte nicht mehr fahren dürfen, dachte ich und war ihm sehr dankbar, denn das Hämmern hörte auf, und die Welt wurde still. Ich maß meine Temperatur. 38,9. Ich schluckte drei Aspirin mit einem Glas Whisky, Honig und Zitronensaft und wachte nach einer unruhigen Nacht erst spät auf. Die Welt war noch immer still, und von meinem Bett aus sah ich einen weißen Himmel, der grau verfärbt wirkte wie alte Farbe. Vielleicht hatte es geschneit. Meine Temperatur war auf 37,8 gefallen. Ich ging nach unten, um meine Sonntagszeitung zu holen. Auf dem Rückweg blieb ich vor der Tür der Ballerinen kurz stehen, hörte aber keinen Ton. Ich ging noch einmal nach unten und holte ihren Observer, den ich ihnen vor die Tür legte. Dann zurück ins Bett, um die Kriegsnachrichten zu lesen, und mir wurde warm und behaglich, während meine Temperatur weiter sank und der Himmel lichter und weißer wurde und sich
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