Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Systematischeres an sich hätte. Mal sehen. Ich persönlich habe fürs Bezahlen nicht viel übrig. Man möchte doch lieber um seiner selbst willen begehrt werden. Irgendwo mittendrin könnte ein Ereignis mit einer Belohnung danach liegen, einer
Tasse Tee und Kekse etwa, so als hätte sie einen Liter ihres Blutes hergegeben und würde sich gut dabei fühlen. Natürlich habe ich im Prinzip nichts dagegen, die Sache als Transaktion zu betrachten. Wie meine Frau immer meinen Kindern sagt (wenn sie solche Sachen sagt, sind sie für mich immer ausschließlich die meinen), kann man nur das richtig schätzen, was man sich hart erarbeiten und wofür man sparen mußte. Wir genießen, was uns etwas kostet, mehr als das, was umsonst ist. Ich laufe jetzt Gefahr, die Beziehung zwischen Sex und den anderen besten (oder zweitbesten) Dingen im Leben zu verlieren. Außer daß der beste Sex wahrscheinlich frei im Sinne von umsonst ist, wenn man ihn nicht gerade mit der Person hat, die sich einem normalerweise nicht verweigern kann. Wobei frei im Sinne von umsonst mit Freiheit im Sinne von Wahlfreiheit nicht mehr viel zu tun hat. Wie Sie sehen, bin ich jetzt ein wenig abgekommen von frei im Sinne von frei verfügbar, wie gewisse medizinische Hilfestellungen oder die Luft, die man atmet. Ich vermute, meine Frau hat den Sex mit mir genossen (wenn auch mit der Zeit immer geräuschloser, sie atmet nur besagte Luft in größeren Mengen und kürzeren Abständen ein und schläft immer schneller ein), aber ich bezweifle, daß sie ihn je als poetische Erfahrung oder sogar als bereichernde betrachtet hat. (Ich schon wieder. Wenn’s um Sex geht, habe ich immer Geld im Hirn.) Ich schätze, in letzter Zeit liegt die Häufigkeit, mit der wir es tun, ein bißchen über dem Durchschnitt (was natürlich auch mit der mangelnden Bereitschaft der meisten zu tun hat, dafür zu bezahlen, und auch die Präliminarien des Essens und Trinkens spielen hier eine Rolle). Sie spricht über solche Sachen nicht. Als Intellektuelle ist sie nicht so abgehoben. Für so ziemlich alles andere, was sie tut, braucht sie einen Grund, um genau zu sein, für alles, was nicht mit dem natürlichen Verhalten des Körpers zu tun hat.
Sie würde es wahrscheinlich für unvernünftig oder sogar für depraviert halten (eines ihr Wörter, die ich immer mal wieder nachschlagen muß), wenn wir versuchen würden herauszufinden, warum wir es so häufig oder so selten tun. Ich habe einen Grund dafür. Wenn ich es nicht mit ihr tun würde, würde ich es
mit gar keiner machen. Ich bin ihr treu aus Faulheit, Armut und jenem Mangel an Gelegenheit und Eigeninitiative, die manche für den Inbegriff wahrer Freiheit halten. Sind wir schon wieder beim Thema. Aus welchem Blickwinkel man sie (die Freiheit) auch betrachtet, es sieht immer so aus, als würde ein Preisschild dranhängen. Wenn ich allerdings unbeschränkt Geld zur Verfügung hätte und tun und haben könnte, was immer ich wollte, also ganz nach meinem Belieben eine Lust nach der anderen befriedigen, dann bezweifle ich, ob ich mich so frei fühlen würde, wie ich glaube, es zu tun, einfach indem ich über das Thema nachdenke und dabei im allgemeinen versuche, vernünftig zu sein — wobei ich davon ausgehe, daß ich mir diese Mühe nicht machen würde, wenn ich so beschäftig damit wäre, meine Lüste zu befriedigen. Aber etwas stimmt hier nicht: Wenn ich meine Vorlieben etc. als solche betrachte, mich dabei selbst besser kennenlerne und besser unter Kontrolle bekomme, wenn ich schließlich weiß, wie ich mich in den allermeisten Situationen verhalte, dann schwinden die Alternativen und Möglichkeiten sehr schnell, bis, wenn ich so weitermache, keine nennenswerten mehr übrig sind. Wenn man weiß, daß man ein Sklave oder ein Kleptomane ist (oder ein Sexbesessener, wobei es kaum vorstellbar ist, daß es einen solchen Menschen überhaupt geben kann) oder was man eben sonst ist, und sich dann sehr gründlich ansieht, was man hat oder was einem fehlt, kann einen das sehr viel vernünftiger, aber auch elender machen, und das heißt, Freiheit, falls die überhaupt etwas mit Wissen zu tun hat, könnte das genaue Gegenteil von dem bedeuten, was man »sich befreit fühlen« nennt. Das führt jetzt ein bißchen weit. Und es ist genau das, was meine Frau »intellektualisieren« nennt, wofür ich aus meiner Sicht überhaupt kein Talent habe (ich schon wieder). Es scheint mich nicht sehr weit zu bringen, deshalb beschließe ich vielleicht, es wieder
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