Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Hauptunterschied zwischen uns darin, daß Hipkin unfähig ist, Leute wie Plaskett zu hassen, und auch Mrs. Hodge nie zuzwinkern würde, ganz zu schweigen von den Mädchen im Schreibbüro, von denen er erwartet, ignoriert zu werden. Was auch so ist.
Ich gestattete ihnen nicht, mich zu ignorieren, zumindest am Anfang nicht. Es wäre mir sehr recht, wenn mir eine Alternative zum Zwinkern einfallen würde, um das Eis in den offiziellen Beziehungen
zwischen uns zu brechen, oder wenn ich wüßte, was ich an Schmelzendem anschließend sagen sollte. Das erwidernde Lächeln wurde im Lauf der Zeit immer frostiger, und ich befürchtete schon, sie würden mein Zwinkern als nervöse Zuckung interpretieren. Ich beschloß deshalb, es ganz sein zu lassen. Ich sehe ja ein, daß es ein wenig wahllos und unpersönlich und ohne jeden Zweck war, abgesehen davon, daß es mir Einblick gewährte in Hipkins Lage, in das Bewußtsein nämlich, daß es der Mühe gar nicht wert ist, daß es einfach nichts zu sagen gibt. Ich bin jetzt wieder dort, wo er noch gar nicht angefangen hat. (Ich habe hier etwas übertrieben, um deutlich zu machen, was ich meine. Mein Zwinkern war hypothetisch, zumindest nach dem ersten, das jedes neue Mädchen an ihrem ersten Morgen zusammen mit einem Nicken von mir bekam. Na ja, man weiß ja nie. Oder man weiß es immer. Wir müssen immer versuchen, uns vorzustellen, wie es hätte sein können. Ich befürchte, daß Hipkin auch in der Hinsicht nicht einmal so weit kommt.)
Wie kann ich ihm helfen, wenn wir uns nicht einmal mit den Vornamen anreden? Ich könnte ihm meine Zeitschriften geben, ihm eine Stunde Massage spendieren, ihn in die Cafeteria einladen, mich nach seiner Familie und seinem Privatleben erkundigen, ihm zuzwinkern. Aber ich befürchte, für ihn wäre dann nicht mehr alles okay, weil er von mir abhängig wäre. Ich würde auch den Hambles gerne helfen, vielleicht weil sie lieber sterben würden, als sich helfen zu lassen, was durchaus passieren kann. Hipkin wird ohne meine Hilfe nicht sterben. Er ist ein Mensch, der erst um Hilfe schreit, wenn der Strand bereits verlassen ist und der letzte der Lebensretter schon in den Bus nach Hause steigt.
Ich will auch nicht, daß meine Kinder von mir abhängig sind, weil es mir keinen großen Spaß machen würde, wenn sie um ihrer Unabhängigkeit willen gegen mich kämpfen müßten. Meiner Frau steht in dieser Hinsicht vielleicht noch ein ziemlicher Schock bevor, trotz der ganzen einschlägigen Bücher, die sie liest. Ich sehe es schon vor mir, wie sie mit keiner Wimper zuckt (obwohl ihr vor Anstrengung die Augen tränen), wenn aus einem unserer Kinder
weniger wird, als sie sich erhofft hat. Wenn mein Sohn zum Beispiel zu einem skrupellosen Immobilienspekulanten wird, würden ihre Wimpern (samt den dazugehörigen Lidern) außer Kontrolle geraten, und sie würde dann aussehen wie ich bei dem Versuch, mit dem gesamten Schreibbüro auf einmal durchzubrennen. Ich hätte nichts dagegen, solange nur klar wäre, daß ich in einer der Immobilien wohnen könnte, mit denen er spekuliert hatte. Ich hätte da absolut nichts dagegen. Wie gesagt, ich sehe zuviel fern. Szenen aus einigen der schlechtesten (besten) Sendungen kommen mir immer wieder ins Gedächtnis. Ich sehe diese Krösusse, die mit krummen Geschäften ein paar Millionen verdient haben, und ich frage mich, wie sehr und wie oft mich mein Gewissen plagen würde, wenn ich eine Villa auf einer Klippe hätte, einen Rolls-Royce mit Chauffeur, eine endlose Reihe von Mädchen, die mich auf meiner Yacht umlagern und betätscheln, und all die anderen Sachen. Und natürlich würde ich es nicht aushalten. Ich würde den Gedanken nicht ertragen, daß man mir auf die Schliche kommen und alles wegnehmen könnte. Ich könnte meine Reichtümer nie mit Gelassenheit genießen. Ich frage mich, was für ein Gewissen ich haben muß, daß mir solche Gedanken überhaupt durch den Kopf gehen. Manchmal spüre ich, wie mein Gefühl für richtig und falsch sich auflöst in einem Nebel intensivster Lust. Aber dann verhärtet es sich erneut zu seiner gewohnten klumpigen Widersprüchlichkeit, und ich sage mir wieder einmal, wie glücklich ich mich schätzen kann, eine Frau zu haben, die meine Gedanken nicht lesen kann (will?). Es würde auch kaum etwas ändern, wenn meine erträumten, unerwähnten Reichtümer legal erworben wären. Für sie ist jeder Reichtum »unrechtmäßig«. Ich habe ihr nie erzählt, daß ich Lotto spiele; um
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