Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Sie hat von meiner Frau eine makellose Sexualerziehung erhalten, dergestalt, daß die Fragen vorausgesehen wurden, bevor sie überhaupt gestellt werden konnten, wobei natürlich auch das schmuddelige, kichernde Kribbeln, das wunderbare, verlockende Geheimnis des Alles-selber-Herausfindens eliminiert wurde. Offensichtlich ist ausschließlich in der Sexualerziehung die Methode des Selber-entdecken-Lassens noch nicht in Mode. Meine Frau hält es für richtig, das Thema zu reinigen, es gut durchzulüften, auch wenn sie dieses Prinzip auf die schmutzige Wäsche anderer Leute nicht anwendet (ob das ein Widerspruch ist?). Sie hält es für richtig, es biologisch und natürlich und bekömmlich zu machen, eins ihrer Lieblingswörter,
das mir irgendwie den Appetit daran verdirbt. Ihre anderen »Bezugssysteme« sind nackte Lust und das Endprodukt. 0 Gott, diese Sendungen, die wir durchzustehen hatten, über die Geburt und die Kopulation von Rindern und Affen etc. Wir sitzen in angespanntem, verlegenem Schweigen da, und sie erzählt uns, daß die nackte Wahrheit nie Anspannung oder Verlegenheit verursachen dürfe. Ich betrachte mich und meine Kinder nicht gerne als im wesentlichen Tiere. Mir selber reicht es durchaus, einfach nur wesentlich zu sein. Tiere, die es treiben, vor allem Hunde auf der Straße, widern mich an. Ich habe gesehen, wie sie aneinanderhängen, unfähig, sich voneinander loszureißen. In gewisser Weise ist das natürlich auch mein Problem. Im Haus sollte es einfach nicht erlaubt sein.
Ich frage mich, ob meine Kinder sich vorstellen, wie meine Frau und ich es treiben. Ich möchte wetten, sie versuchen es zu vermeiden. Schlimmer noch, ich frage mich, ob meine Frau etwas dagegen hätte, wenn sie sich vorstellen, daß wir es tun. Ich vermute, sie hätte nichts dagegen, und wenn wir es dann wirklich treiben, ertappe ich mich manchmal dabei, wie ich mich bemühe, mein bestes Verhalten an den Tag zu legen. Ich bin dann versucht, sie zu fragen, ob man es nicht so einrichten sollte, daß sie uns dabei zusehen, da es doch so bekömmlich usw. ist und da es doch eigentlich nur um Schwärme von Spermien geht, die hinter wuselnden Eiern herjagen, und all das Keuchen und die Zuckungen doch nur den Zweck haben, ihnen einen guten Start zu geben für ihre hektische Schatzsuche. (Wenn sie nur auf ein paar Tempos treffen, wie schnell sterben sie da. Was geht unten in den Abwasserkanälen eigentlich ab?) Ich bin froh, daß ich keine Sexualerziehung hatte. Diese flüchtigen Blicke und schmutzigen Hefte und das Getuschel auf Spielplätzen, diese ersten Gefühle (Lernen durch Ausprobieren, das ist hier die Methode) waren viel erregender als das Verhalten von Chromosomen (ich bin mir sicher, sie fangen erst an, sich so exhibitionistisch zu verhalten, wenn sie unter dem Mikroskop liegen) oder Filme über das Kopulieren rötärschiger Paviane und so. Ich finde es schade, daß mein Sohn nicht denselben Kick
bekommt, den ich hatte, als ich meine erste echte nackte weibliche Brust sah (Deirdre Perkins), oder zwei Jahre später, innerhalb einer Woche, einen weiblichen Hintern und den oberen Rand von Schamhaaren (Deirdres ältere Schwester). Meiner Frau liegt immer sehr daran, ihre Nacktheit im Haus nicht zu verstecken. Sie läßt die Badezimmertür einen Spalt offen (außer wenn sie auf der Schüssel sitzt; hier sollte man nicht zu lange verweilen) und erwartet von mir, daß ich dasselbe tue. Keins meiner Kinder hat mich je nackt gesehen. Und sie werden es auch nicht. 0 nein. Sonst würden sie mich vielleicht noch weniger ernst nehmen, als sie es jetzt schon tun.
Ich habe meine Tochter nicht mehr nackt gesehen, seit sie etwa neun Jahre alt war. Ich würde sie gern wieder einmal so sehen, vor allem jetzt, da nicht nur ihr soziales Gewissen sprießt. Ich würde gern sehen, wie haarig sie geworden ist. Ich würde gern noch einmal nach ihrem Herzen tasten. Würde ich in der Richtung Andeutungen machen, würde sie es meiner Frau erzählen, und die würde denken, das passe ganz genau zu meinem Impuls, mit meinem Badminton-Schläger Blumen die Köpfe abzuschlagen. Wobei es nicht reine Lust wäre, oder eigentlich genau das, verglichen mit meinem Wunsch, nach dem Herzen und nach Stellen in einem immer weiter werdenden Umkreis darum herum von anderen Mädchen in ihrem Alter zu tasten. (Ist das okay, wenn es dadurch kompensiert wird, daß ich nie davon träume, es auch nur annähernd zu tun?) Wenn da nur ein Element der Lust dabei wäre,
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