Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
aufzugeben. Besonders leicht fällt es mir sowieso nicht, wie Sie vielleicht merken. Vielleicht brauche ich mich nur darauf zu konzentrieren, mit meiner Frau Schritt zu halten, die es sehr viel weiter bringt; auf diese Art und Weise finde ich vielleicht auch heraus, wie abgehoben sie tatsächlich ist.
Mal sehen, wo waren wir? Wenn ich eine Affäre hätte, würde ich es ihr (a) nicht erzählen, und sie würde es (b) sofort erraten. Wie würde sie reagieren? Das herauszufinden wäre einer der Gründe, warum ich gern eine hätte, aber natürlich nicht der wichtigste. Ich bin mir ziemlich sicher, daß sie keinen Aufstand machen, nicht schmollen, weinen oder aufstampfen würde. Unter diesen Umständen müßte sie vielleicht Gründe für das natürliche Verhalten des (meines) Körpers suchen, und sie würde nicht erwarten, daß ich an dieser Suche teilnehme. Sie würde mich im ungewissen lassen. Ich würde nie wissen, ob diese Suche sie dazu brachte, mich als verachtenswert, gedankenlos oder schwach zu betrachten, oder dazu, weder über die Affäre noch über mich sonderlich viel nachzudenken. Sie würde weitermachen wie bisher, sogar im Bett. Sie würde darauf bestehen. Da sie nun den Gipfel der moralischen Überlegenheit erreicht hätte, würde sie dort auch eine Fahne aufpflanzen wollen. (Törichte Gedanken? Aber zu wissen, daß sie es sind, hält einen nicht davon ab, sie zu haben.)
Wenn sie mir untreu wäre? Es würde mir nichts ausmachen. Moment mal. Wenn, dann würde sie es mir sofort sagen, sie würde sich entschuldigen, weil sie mich verletzt hatte, und vielleicht von Freiheit reden, von der Wiederentdeckung der Grundlage unseres gegenseitigen Vertrauens und der Zuneigung und weiß Gott was sonst noch für ein Blech — und dadurch auch in dieser Situation die moralische Überlegenheit erreichen. Ich wäre nur gedemütigt durch den Gedanken, daß mir in ihrer Situation einfach komplett die Worte fehlen würden. Ich wäre nicht abgestoßen von ihr oder genauer ihm (dem Sex), da, wie ich bereits erklärt habe, in der vorhersehbaren Zukunft die beiden ein und dasselbe bleiben müssen. Ich würde den Respekt vor ihr nicht verlieren (ganz im Gegenteil), aber ich würde inständig darum beten, daß sie endlich aufhört, darüber zu reden. Was sie nie tun würde, vor allem dann nicht, wenn sie ausdrücklich nicht darüber redet. Sie würde mich nie verlassen, das ist mal sicher. Sie glaubt an die Familie. Auf jeden Fall ist sie mehr Sexobjekt, als ich es bin, wenn man davon ausgeht, daß ich überhaupt keins bin. In der Hinsicht haben wir
beide keine Illusionen. Wie bereits gesagt, wir passen sehr gut zueinander.
Was mich noch einmal auf Hipkin bringt, der eigentlich die Freiheit haben sollte, aber völlig unfähig ist, sie auch zu nutzen, der deshalb keine Alternativen hat und, wie es aussieht, auch einen gewissen Mangel an der nötigen Ausstattung, sich ihrer zu bedienen, falls er sie hätte. Es wäre mir lieber, er würde mir nicht so zusetzen, indem er so unbedeutend ist, indem er mir viel zu ähnlich ist, als daß es mir guttäte, ohne auch nur den Vorteil (Nachteil) meiner Selbstreflexion.
Ich könnte Webb auch auf Hipkin ansetzen. Vielleicht flennt er die ganze Zeit stumm vor sich hin. Vielleicht vergräbt er den Kopf tief im Kissen, um seinen Schmerz darüber zu verstecken, was eine verwitwete Mutter oder ein brutaler Vater aus ihm gemacht haben. Vielleicht stapelt sich in seinem Zimmer meterhoch die schärfste Pornographie, und das ist dann alles, was er vom Leben verlangt, frei zu sein, um, ob im Wachen oder im Schlaf, träumen zu können, er wäre immer irgendwer oder irgendwo anders.
»Alles in Ordnung, Bob?« frage ich ihn.
»Alles in Ordnung, Mr. Ripple.«
»Keine Probleme? Die japanischen Verkäufe haben Sie schon gemacht, oder?«
»Alles okay, Mr. Ripple. Ich glaube, sie sind in Ordnung.«
»Kopf hoch, Bob, vielleicht passiert’s ja nie.«
Er wendet sich wieder seinen Karteikarten zu. Ich sehe seine Augen nicht. Er schaut mich immer nur an, wenn ich ihn nicht anschaue. Alles ist immer in Ordnung, Mr. Ripple. Ich werde ihm nie mehr sagen, er soll mich beim Vornamen nennen. Es war schrecklich, wie rot er damals wurde. Abgesehen von allem anderen hat es seine Pickel noch deutlicher hervortreten lassen.
So ist das also. Ich weiß nicht, wohin Hipkin zum Mittagessen geht. Ich glaube, er geht einfach hinaus auf die Straße und schlendert durch die Gegend. Eines Tages steht er vielleicht
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