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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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auf die Straße hinausstarrte, als würde sie auf jemanden warten.
    »Ich sagte nur, bitte den Hauch eines Lächelns, weil sie in die
Kamera starrte wie Gott weiß was, als wollte ich sie erschießen oder so. Was für ein Gesicht. Eine Verwandte, hm?« Ich antwortete nicht. »Also eins kann ich Ihnen sagen. Ich habe mich ziemlich mit Gesichtern beschäftigt. Hatte mal eine Ausstellung in einer örtlichen Galerie. Ich weiß also, wovon ich spreche. Ein wenig frische Seeluft, was Anständiges zu essen, ein bißchen Sonne und Wonne. Geht mich ja nichts an, aber wie gesagt, mit Gesichtern kenne ich mich aus.«
    »Wenn ich’s mir recht überlege, die Mühe brauchen Sie sich doch nicht zu machen«, sagte ich. »Aller Wahrscheinlichkeit nach fährt sie nirgendwohin.«
    »Keine Engländerin, oder?« fragte er und steckte die Fotos in einen kleinen, braunen Umschlag.
    »Warum sagen Sie das?«
    »Wie gesagt, mit Physiognomien kenne ich mich aus. Jüdisch. Armenisch. Das altmodische Kleid, und vor allem die schweren Schuhe.«
    »Also eigentlich ist sie eine Cousine von mir. Aus Derbyshire. Ein Mädchen vom Lande.«
    Er musterte mich eingehend. »Das hätte ich jetzt nicht gedacht. Sie wirken auf mich nicht gerade wie der exotische Typ. War jetzt nicht bös gemeint. Ganz im Gegenteil.«
    Ich steckte die Fotos in die Tasche und drehte mich um.
    »Haben Sie vielleicht ans Zahlen gedacht?« sagte er. »Oder nicht, kann ja auch mal passieren.«
    Er hatte das humorvoll gemeint, aber ich errötete trotzdem. »Oh«, entgegnete ich beiläufig. »Muß man für die Dinger heutzutage schon bezahlen? Schnappschüsse. Da hätten Sie ja gleich was sagen können. Sie sind nicht der einzige Fotograf hier in diesem Eck, wie’s in Derbyshire heißt.«
    »Ja, ich weiß«, erwiderte er, mit einem Akzent irgendwo zwischen Dorset und dem tiefen Süden. »Aber ich fürchte, Sie werden feststellen, daß wir heutzutage alle gleich sind, wir arbeiten nämlich alle für Geld.«
    »O Gott! Das können Sie doch nicht ernst meinen. Das sind die Grundkosten, nicht?«

    »Ach, manche machen’s auch ohne Grund.«
    Um ihm zu zeigen, daß ich den Witz verstanden hatte, gab ich ihm einen kurzen Klaps auf den Arm, und dann gingen wir. Wir kehrten direkt in ihre Wohnung zurück, um das Formular auszufüllen. Sie saß mir gegenüber auf dem Sofa in ihrer üblichen Haltung, mit hängenden Schultern, leicht nach vorn gebeugt, die Hände gefaltet, und antwortete auf alle meine Fragen mit einem Flüstern. Sie schaute mich kein einziges Mal an. Das alles schien ihr inzwischen völlig unwichtig zu sein. Sobald der neue Paß einträfe, würde sie ihn zusammen mit dem ihres Mannes mit einem Gummiband umwickeln und ganz hinten in der Schublade seines Schreibtisches verstauen.
    Als wir fertig waren, richtete ich den Umschlag her und warf noch einen letzten Blick auf das Foto, auf diese leere Grimasse der Ergebenheit.
    »Jetzt alles in Ordnung«, sagte sie.
    Ich lächelte sie an und hoffte auf ein Lächeln als Erwiderung, aber sie griff nach ihrer Tapisserie und fing an zu arbeiten, als wäre sie völlig allein. Sie brachte mich nicht zur Tür, und ich eilte hinauf in meine Wohnung, weil ich vor allem die Erinnerung an sie abschütteln wollte. Frühling lag in der Luft. Ich sehnte mich danach, in Kew Gardens oder auf der Heath spazierenzugehen, mir meine eigenen Erinnerungen wieder zurückzuholen, wieder ganz ich selber zu werden. Ich legte eine Platte auf. Mozart. Ich hatte mir einen interessanten, neuen Roman gekauft. Auch das Fernsehprogramm war vielversprechend, deshalb ging ich nicht spazieren. Ich hörte mir den Mozart zweimal an.
     
    Ich schreibe dies zwei Wochen später. Mir geht’s zur Zeit nicht gut, und ich rede mir ein, das sind die Nachwirkungen der Lungenentzündung. Gestern riet mir mein Arzt, ich sollte mal einen langen Urlaub machen, als würde ich mich irgendwo abrackern und wäre nicht bereits im Dauerurlaub. Offensichtlich habe ich einfach nicht mehr die Energie wie früher, obwohl ich damals solche riesigen Mengen davon hatte, daß man ein bißchen weniger eigentlich gar nicht bemerken sollte. Ich sehne mich nach acht
Stunden Schlaf, kurz nachdem ich nach acht Stunden Schlaf aufgewacht bin. Gegen die Schmerzen in der Brust genehmige ich mir einen guten Schluck Wyeth Mucaine 500 ml Suspension mit den Inhaltsstoffen Oxethazine, Aluminium Hydroxide Mixture BP und Magnesium Hydroxide BP, von denen man annehmen sollte, daß sie so ziemlich alles kurieren,

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