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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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hatte ja überhaupt nichts zu tun, nicht, und Aspirin und Salben verteilen, ab und zu mal ’nen Schein oder zwei, Pülverchen und Hustensaft, das hat ihr eben was gegeben. Aber sie hat uns ein schönes Heim eingerichtet, und das waren keine Kinkerlitzchen, das kann ich Ihnen sagen, so mitten in der Pampa. Vor allem der Garten. Der war wirklich wunderbar. Sie wollte auch keine Diener haben, zumindest anfangs nicht. Dann später, so um die Zeit, als Dickenson starb ... ich hab also bei diesem ganzen Wohltätigkeitstamtam ein Auge zugedrückt. Sie brauchte ja ihr eigenes Leben. War eigentlich ein herzensguter Mensch. Aber was ich Ihnen sagen wollte, seien Sie vorsichtig mit der Abhängigkeit, außer Sie haben was über, und das nicht zu knapp. Aber ehemalige Buchhalter haben das ja meistens. Leiden kann einen ganz schön runterziehen, wenn man nicht aufpaßt. Wie der arme, alte Dickenson, hab Ihnen ja erzählt, was mit ihm passiert ist, nicht? Sie kann also hier nicht ewig bleiben, oder was meinen Sie?«
    »Ich bin mir sicher, daß sich da eine Lösung finden wird. Machen Sie sich wegen mir keine Sorgen, ich bin so hartherzig, wie’s nur geht.«
    »Haben nur Ihre Pflicht getan, was? Freut mich. Ist ja heutzutage nicht mehr so häufig, Pflichtgefühl. Na gut, ich gebe ihr noch ein paar Monate. Das können Sie ihr doch schonend beibringen, nicht? Habe sie ja selber schon gefragt, was sie vorhat, sehr taktvoll,
keine Angst, aber da hätte ich gleich gegen eine Wand reden können. Ihren Gatten hat sie ja sehr umsorgt. Haben schon auch ihre Vorzüge, die Polacken.«
    Ich nickte, als wäre ich mit jedem Wort einverstanden. »Es hat sie ziemlich schwer getroffen ...«
    »Ist anzunehmen, nicht? Muß aber jetzt los. Machen Sie nur weiter so.«
     
    An diesem Abend hörte ich Beethoven, gespielt von einem Pianisten namens Brendel. Eigentlich hätte es mir beim Nachdenken helfen sollen, aber genau das Gegenteil war der Fall. Es war auch kein guter Tag im Waschsalon gewesen. Der Mann vom letzten Mal war wieder da, und während ich versuchte, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren, fing er an, mit den Armen zu fuchteln und über die dreckigen, zionistischen Amerikaner zu schimpfen, und Saddam Hussein sei ein großer Mann, und in Großbritannien würden die Muslime behandelt wie Dreck, und dann, mit leiserer Stimme und mit einem Zischen, gefolgt von einem Gurgeln, erwähnte er den Namen Salman Rushdie. Der Besitzer versuchte die ganze Zeit, ihn zum Schweigen zu bringen, warf immer wieder besorgte Blicke in meine Richtung und murmelte die ganze Zeit nur: »Jaja. Jaja.« Ich war überrascht, daß der Mann so vom Leder zog, obwohl ich im Zimmer saß, der ich ja unübersehbar nicht arabischer Abstammung bin. Aber wahrer Zorn ist eben so; da ist es egal, wer zuhört.
    Er fing an, Rache zu schwören, und ich wünschte mir, ich könnte glauben, er wäre betrunken. Schließlich ließ ich die Arbeit sein und wandte mich ihm zu, um ihm zuzuhören. Erst jetzt schien er sich meiner Anwesenheit bewußt zu werden, und er zuckte die Achseln und verstummte.
    Eine lange Pause entstand, dann traten ihm die Tränen in die Augen, und er sagte zu mir: »Es tut mir leid. Ich bin einfach nur sehr traurig. All das Jubelgeschrei und die Danksagungen an die heimkehrenden Soldaten, weil sie die Turbanträger verprügelt haben. Wie würden Sie sich da fühlen, Sir? Mein Sohn wird in der Schule Saddam genannt, und meine Tochter fragen sie, wo sie ihr
Kamel geparkt hat. Muzzies ruft man ihnen nach. Sie weinen und sind sehr verängstigt.«
    »Aber doch sicher nicht alle Kinder?« fragte ich leise.
    »Es reicht, wenn man von ein oder zwei Leuten umgebracht wird, oder?«
    Der Besitzer schaute mich voller Scham an. »Er meint nicht wirklich, was er über Saddam Hussein sagt, Mr. Ripple.«
    Der Besucher schüttelte den Kopf, und eine Träne lief ihm die Wange hinunter. Er wischte sich die Augen, gab mir die Hand und ging. Mein erster Gedanke war, daß ich eigentlich gar nicht hier sein sollte. Ich wollte zu Hause sein, Musik hören und dabei hoffen, sie sei nicht so laut, daß sie die Tänzerinnen störte, aber laut genug, damit sie mitbekamen, daß ich ein kultivierter Mann bin.
    Ich frage mich, ob ich auf CDs umsteigen soll. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, daß ich noch viele neue Platten kaufe, da mir diejenigen, die ich habe, bei jedem Abspielen ein bißchen mehr ans Herz wachsen. Eigentlich ist es so, daß ich bei jedem Hören mehr in ihnen höre.

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