Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
ich befürchte allerdings, daß zuviel Hydroxide BP drin ist. Ab und zu ist da auch ein Schmerz wie Sodbrennen, nur milder, und gegen den hilft ein Schluck Whisky besser als Obiges, weshalb ich ihn meistens auch vorziehe. Oft bin ich kurzatmig, was natürlich an meinen atemberaubenden Stumpen liegt, aber ich schränke das Rauchen ein und zünde mir oft nur einen Stummel an, wenn ich Lust auf einen neuen habe, oder statt dessen einen neuen, damit er dann so schnell wie möglich zu einem Stummel wird. Ich schränke mich auch beim Alkohol ein, gebe zusätzlich Sodawasser und Eis hinzu, sobald das Glas halb leer ist, so daß ich irgendwann nur noch Eiswasser trinke. Da diese ganze Prozedur jedoch früher anfängt und später endet, reicht mir eine Flasche letztendlich auch nicht sehr viel länger. Je mehr Übung meine Blase verlangt, desto weniger bekommt der Rest meines Körpers davon. Würde ich noch einmal zum Arzt gehen, würde der mir nur sagen, was ich mir selber auch ausrechnen kann: daß ich nicht jünger werde und besser auf mich achten sollte. Und falls Sie es noch nicht bemerkt haben, auch das Schreiben wird nicht leichter, was damit zu tun hat, daß ich mehr lese und herausfinde, wie die Profis es machen. Sie scheinen alle einen riesigen Wortschatz zur Verfügung zu haben, allerdings stehen einem die Wörter trotz all ihrer Kunstfertigkeit und ihres Überflusses manchmal im Weg, so daß einem nur genau dies im Gedächtnis bleibt, als versuchten sie, irgendeinen Mangel oder einen Defekt hinter sich zu verstecken: die Frage zum Beispiel, warum irgend jemand sich so viel Mühe mit seiner Kleidung machen sollte. Wen versuchen sie eigentlich zu beeindrucken? Im großen und ganzen aber nimmt es einfach zuviel Zeit in Anspruch, und daß das Schreiben nicht einfacher wird, hat auch mit anderen Dingen zu tun, zum Beispiel werde ich nicht jünger und habe keine Lust darauf oder andere Sachen zu tun etc. Oder, genauer, nicht
zu tun. Im Grunde genommen hat es jedoch vorwiegend damit zu tun, daß ich nicht in der Lage bin, mich immer faszinierender zu finden, je älter ich werde, ganz im Gegenteil. Und das alles führt dann dazu, daß man es nicht schafft zu erzählen, was gestern am späten Nachmittag passiert ist.
Ich kam eben vom Waschsalon zurück, als das polnische Mädchen vom Fenster der Bradecki-Wohnung aus zu mir hochrief. Es stand absolut außer Zweifel, wie begeistert sie war, mich nach unserer langen und grausamen Trennung wiederzusehen. Wenige Augenblicke später stand sie vor mir auf der Straße, die Wangen gerötet vor Verlangen, unsere Verlobung so gut wie sicher. Direkt neben uns stand der Volvo, was bedeuten konnte, daß Foster uns im Visier hatte. Ich atmete einmal tief durch und verkniff mir jedes aus der Vielzahl möglicher Komplimente über ihre neue, gekräuselte oder ungekämmte Frisur, die ihr auf der einen Seite in Korkenzieherlocken in Richtung ihres Dekolletés fiel, wo die obersten Knöpfe ihrer Bluse offenstanden, was der Frühling ja auch rechtfertigte, schaute dann wieder hoch zu der offenkundigen Lust in ihren Augen und den geöffneten Lippen und den Variationen der Wangenröte, dann erneut nach unten, wo vielleicht noch anderes sich dem Frühlingslüftchen präsentierte.
»Ja«, brachte ich schließlich als Zusammenfassung all dessen heraus, nachdem sie bereits etwas gesagt hatte. Und dann noch: »Ich dachte, Sie sind schon abgereist.«
Als könnte sie meine Gedanken lesen, ließ sie ihre Lippen verschwinden und verdrehte die Augen, was ihr ein altes und häßliches Aussehen gab — vielleicht sollte es ja nur den Kontrast erhöhen.
»Bitte, Sir. Tut mir leid, Sie belästigen, aber da ist ein Brief für Mrs. Bradecka von meiner Mutter in Polen, die sagt, sie kann eine Freundin besuchen, alte Dame, die dort ist. Meine Mutter schreibt, für mich zeigen den Brief Mrs. Bradecka. Er ist natürlich auf englisch.«
»Ausgezeichnet«, sagte ich.
»Sie will nicht gehen.«
»Das ist schließlich ihre eigene Entscheidung, nicht?«
Sie kam näher, und in dem Frühlingslüftchen roch ich einen Hauch ihres Atems, oder was sie selbst oder von sich selbst hinzugefügt hatte. »Sie hat Angst, wenn nicht jemand mit ihr fährt.«
»Das paßt doch alles hervorragend«, sagte ich und wollte die Heiserkeit in meiner Stimme nicht mit einem derben Abhusten vertreiben. »Sie wollen doch selber in Kürze zurückkehren. Und sie bekommt in ein paar Tagen ihren Paß. Ich helfe Ihnen mit Ticket und Visa.
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