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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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sagte, daß wir Juden waren, aber Frau Stoklowska gab ihm Geld und andere Sachen, damit er nichts verriet. Er hielt Wort, und immer, wenn wir ihm begegneten, zwinkerte er uns zu. Eines Abends kam ein Mann zu Frau Stoklowska und sagte, wie gut ich die Rolle eines arischen Mädchens spielen würde. Er war ein Freund von ihr, aber er durchsuchte mein Zimmer und fand ein Foto, auf dem ich in der Kommunionbank kniete, und das hatten meine Eltern von einem Fotografen aufnehmen lassen, den sie kannten. Dann deutete der Mann auf Dorota und sagte: »Und du bist also das kleine jüdische Mädchen. Wann warst du zuletzt in der Kirche?« Frau Stoklowska sagte, sie war aus Krakau zu ihr gekommen, weil ihre Eltern zu viele Kinder hatten, um die sie sich kümmern mußten, und daß sie bald dorthin zurückkehren wird und daß Dorota ihre Nichte ist. Dorota weinte dann vor dem Mann, aber sie hatte überhaupt keine Angst, und der Mann legte ihr die Hand auf den Kopf und sagte, es tut ihm leid, daß er ein so nettes Mädchen eine Jüdin genannt hat. Aber danach konnte Dorota nicht bleiben, und Frau Stoklowska versuchte, ein anderes Zuhause für sie zu finden, aber andere Leute kannten ihre Geschichte und hatten große Angst. Eines Morgens war sie dann nicht mehr da. Frau Stoklowska sagte mir, daß man sie auf einen anderen Bauernhof geschickt hatte, wo sie sich zwischen den Kühen versteckte, aber eines Tages entdeckte sie die Mutter des Nachbarn des Bauern, und sie wurde nach Oświęcim gebracht. Der Bauer sagte, er hatte nicht gewußt, woher sie kam, aber er
brauchte jemand, der sich um die Kühe kümmerte, aber sie glaubten ihm nicht, und er ging mit ihr und einigen anderen Leuten. Der Krieg war jetzt schon fast vorbei, und die Frau des Bauern kam zu Frau Stoklowska und sagte ihr, daß Dorota glücklich gewesen war auf dem Hof und daß sie sich freute, dorthin zu gehen, wo sie ihre Eltern und ihren Bruder finden könnte. Deshalb dachte ich, sie ist tot. Dann erzählte jemand Frau Stoklowska, daß sie überlebt hatte. Aber in dieser Zeit hörten wir sehr viele Dinge, und niemand wußte, was man glauben konnte. Dann schickte Frau Stoklowska auch mich weg, weil der Mann von vorher plötzlich nicht mehr so freundlich war. Ich weiß nicht, was mit Dorota passiert ist. Ich habe alles erzählt, was ich im Augenblick weiß.
     
    Ich rief Mrs. Wysinski an, sagte ihr, ich würde ein paar Tage nach Krakau fahren, und bat sie, es auch Mrs. Bradecki zu sagen, falls sie nach mir fragen sollte, machte aber auch deutlich, daß sie sich dazu absolut nicht verpflichtet fühlen dürfe. Ich dankte ihr für den vergangenen Abend, und sie sagte: »Meinem Mann tut es sehr leid, daß er so viel Unsinn geredet hat.«
    »O nein. Ganz und gar nicht. Es war äußerst interessant.«
    »Interessant, Mr. Ripple – vielleicht sind wir es müde, interessant zu sein. Die Briten haben auf BBC gesehen, daß die polnische Politik nur aus Streit besteht und unser Präsident ein Diktator ist.«
    Ich hatte diese Sendung gesehen und mir gedacht, wieviel das doch mit dem wirklichen Leben zu tun hatte – Menschen, die wütend und besorgt sind und versuchen, ehrlich zu sein und aus dem Nichts etwas aufzubauen. Unser eigenes politisches Leben dagegen ... darüber zerbreche ich mir noch immer den Kopf. Vielleicht sollte ich mehr lesen. Davon konnte ich natürlich nichts sagen, aber immerhin brachte ich heraus: »Na ja, unsere Politik ist im Vergleich dazu nur Keifen und Betrügen und Mit-Ziffern-Spielen. Ich meine ...« Wie blasiert ich klang.
    »Sie müssen sich nicht bemühen, nett zu uns zu sein, Mr. Ripple.« Sie sagte das sehr sanft.

    »Wir müssen uns doch bemühen, irgendwas zu sein«, sagte ich. »Aber ganz im Ernst, ich danke Ihnen sehr.«
    »Es war uns ein Vergnügen«, sagte sie, und ich glaube, sie meinte es aufrichtig.
     
    Nach Krakau fuhr ich über Tschenstochau, wo es ein Kloster mit langer Geschichte und die berühmte schwarze Madonna gibt, die, so schreibt zumindest mein Reiseführer, eine tiefe Bedeutung für die Polen hat, weil sie ihren Glauben wie auch ihren Glauben an sich selbst lebendig gehalten hat, was mir so ziemlich dasselbe zu sein scheint. Und sie hat viele Wunder gewirkt, von denen einige sagen, sie kämen von innen. Als ich ankam, wurde eben eine Messe gefeiert, deshalb dauerte es eine Weile, bis ich nahe genug herankam, um die Statue genauer zu betrachten. Menschen jeden Alters strömten still durch den Raum, eine eher beiläufige Art

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