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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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gar nicht, wo Simbabwe liegt.«
    »Eigentlich schon. Ich weiß auch ein wenig über seine Geschichte Bescheid.«
    »Ein wenig zu wissen ist besser als nichts, wie es bei so ziemlich allen anderen der Fall ist. Wenn etwas weit weg ist, dann ist es den Leuten doch egal.«
    »Ich nehme an, Sie vermissen es?«
    Sie seufzte schwer, und da sie darauf nicht antworten wollte, kehrte sie zur Bar zurück. Sie war nicht da, als ich ein paar Minuten später ging, da ich zu meinen unsinnigen Gedanken über Ewigkeit, Zeitlosigkeit und den ganzen Rest nicht mehr zurückkehren konnte. Foster kam mir immer wieder in den Sinn, und dann Annelise. Es war, als wäre ich ihnen in einem fremden Land begegnet, das ich einmal bereist hatte. Sie bedeuteten mir nicht mehr als das Barmädchen, zumindest für eine Weile. Als ich dann auf dem Nachhauseweg hörte, wie hinter mir das Meer gegen den Promenadendamm krachte, und sah, wie Regen sich zusammenbraute, kamen und gingen Gesichter, Mrs. Bradecki, die Webbs und die Hambles, Plaskett und Hipkin und die ganzen Leute aus Suffolk, und nun kam noch der Fremde in der Bar dazu — diese hellen, nur halb sichtbaren, suchenden Augen, die mich dabei ertappten,
wie ich einen »ausführlichen Blick« auf die Rückansicht des Barmädchens, auf ihre Art, sich zu bewegen, riskierte. Ebensogut hätte er sagen können: So viele Jahre, und was haben Sie ihnen zu bieten? Was haben Sie gelernt? Wie haben Sie sich verändert? Ewigkeit und Zeitlosigkeit kann jeder jederzeit haben. Können Sie mir mal einen Fünfziger leihen?
    Zu Hause legte ich dann eine CD ein. Schumann. Ein paar innige Lieder über die Liebe. Die meine Gedanken zu diesem Strandabschnitt und den glücklichen Zeiten dort lenkten und von dort zu meiner ehemaligen Frau. Sie hatte mich ein paar Tage zuvor angerufen, um mir zu sagen, daß ihr Mann gestorben war. Ihr Buch hatten sie nicht ganz abschließen können. Sie hätten sich verrannt, seien seine letzten Worte gewesen. »Ein Profi bis zum Schluß«, sagte sie. »Natürlich habe ich ihm versprochen, daß ich alles korrigieren werde, ich kenne ja seine Zweifel, sind ja auch die meinen.« Sie seufzte. »Ich frage mich, war es das alles wert?«
    Ich hätte mit ihr ein Treffen ausmachen sollen. Vielleicht mache ich es noch. Ich erinnerte mich an die Zeit, als sie keine Zweifel hatte, und sie tat es auch. Früher einmal wußte sie alles, was wissenswert war, und sie kannte den Wert von allem. Jetzt fragte sie sich, ob das alles der Mühe wert war. Ich wollte sie das nicht noch einmal sagen hören. Wenn engagierte, fürsorgliche Leute so weit kommen, das zu denken, um wieviel weniger wert sind diejenigen, die für niemanden sorgen und sich für nichts engagieren. Wenn etwas weit weg ist, dann ist es den meisten Leuten egal, wie das Mädchen sagte.
     
    Der Anruf meiner Frau hat mich dazu gebracht, sie ein paar Monate später anzurufen und ihr zu sagen, daß ich sie gern sehen würde, falls sie je in der Gegend sei. Sie kam zum Mittagessen, wir gingen ins Connaught, wie es der Zufall wollte. Vielleicht hatte ich vage gehofft, das Mädchen aus Simbabwe wäre da, aber das weiß ich jetzt nicht mehr so genau. Da war das Mädchen auf jeden Fall nicht. Im großen und ganzen war es eine recht fröhliche Angelegenheit. Sie hatte sich wieder gefaßt. Das Buch wurde von einem Verlag ernsthaft zur Veröffentlichung erwogen. Die Idee, daß eine
spezifische Gemeinheit oder Tugend eine Generation überspringt, war inzwischen Gesprächsthema und konnte sehr gut in Verbindung gebracht werden mit dem neuen Bewußtsein der Rolle der Großeltern — die Uneigennützigkeit der Zuneigung, verlagert von dysfunktionaler Elternschaft hin zu einem Gefühl der Erneuerung, die die Unausweichlichkeiten des Alters kompensiert. Ich notierte mir das, sobald ich konnte: So viel hatte sich also nicht verändert. Aber jetzt kam ihr das Fachkauderwelsch eher zögerlich über die Lippen, und immer wieder schaute sie mich an, als erwartete sie, ein Grinsen auf meinen Lippen zu sehen. Wie alt, wie außerordentlich alt war sie doch geworden. Und auch einsam. Sie stellte mir Fragen nach meinem Haus, wollte offensichtlich dorthin eingeladen werden. Ich weiß nicht, warum ich nicht wollte, daß sie sah, wie wenig oder wie sehr ich mich verändert hatte. Jetzt gab es die Bücher und die kleine CD-Sammlung mit klassischer Musik. Noch immer fürchtete ich ihr Urteil oder, noch schlimmer, ihren Beifall: wie gut ich mich doch im Alter entwickelt

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