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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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geht mir aus. Schönes Mozart-Konzert im Radio. Habe eine neue Tube Zahnpasta aufgemacht.
    Wie auch immer, ich tagträumte so vor mich hin und hoffte, das Barmädchen hatte mich nicht als zu aufsässig empfunden, als plötzlich eine Stimme am anderen Ende des Salons sagte: »Ist übrigens aus Neuseeland, falls Sie sich fragen, woher.«

    Ich hob mein Glas mit Wein ans Licht. »Ach so. Scheint aber ganz in Ordnung zu sein.«
    Er deutete mit dem Kopf zur Bar. »Ich meine die mit den dürren Beinen.«
    »Ach so.«
    Ich hatte ihn zuvor schon bemerkt, oder genauer, daß das Barmädchen ihm zwei oder drei Gläser offensichtlich unverdünnten Whisky brachte.
    Er beugte sich in den Schein der Lampe. »Hab nur gesehen, daß Sie einen ziemlich ausführlichen Blick riskiert haben, das ist alles.« Er hob sein Glas. »Wollen Sie sich zu mir setzen?«
    Ich ging zu ihm und setzte mich mit dem Rücken zum Meer an seinen Tisch. Sein Gesicht wirkte im roten Lampenlicht sehr dunkel, als hätte er einen schlimmen Sonnenbrand — das wurde noch betont von dichten, fast weißen Augenbrauen und einem passenden kleinen Schnurrbart. Seine kurzgeschnittenen Haare waren dunkler, aber ebenfalls weißlich. Seine Stimme hatte eingerostet geklungen, wie lange nicht geräuspert. Es schwang ein gewisser Akzent darin, vielleicht Walisisch. Er trug eine getönte Brille, so daß ich am Anfang seine Augen nicht erkennen konnte.
    »Normalerweise hätte ich Sie nicht belästigt«, sagte er. »Aber war Ihnen bewußt, daß Sie mit sich selbst gesprochen haben? Ich meine, nicht laut. Aber die Lippen haben sich bewegt.«
    »O Gott, ich muß mehr darauf achten. Sollte mich vor einen Spiegel setzen.«
    »Unserer süßen Kleinen ist es auch aufgefallen. Hat mich angeschaut, also wollte sie mich fragen, ob ich denke, daß Sie nicht ganz richtig im Kopf sind.«
    Er trank seinen Whisky fast leer. »Tun wir doch alle«, fuhr er fort. »Geht einfach nicht ohne. Denken, meine ich. Wäre allerdings mal nett, nicht, wenn man aufhören könnte zu denken?«
    »Nur daß wir dann nicht mehr merken würden, wie nett es ist.«
    »Im Tod, meinen Sie?«
    »So in der Richtung.« Ich hatte jetzt Lust auf ein weiteres Glas, außerhalb meiner Ration. »Was trinken Sie?« Ich hob den Arm,
um das Barmädchen auf uns aufmerksam zu machen, aber sie schaute bereits in unsere Richtung, starrte uns richtiggehend an. Ich deutete auf unsere Gläser, und sie nickte.
    »Sie weiß schon Bescheid«, sagte er. Dann gab es eine Pause. Eine Unterhaltung, die mit dem Tod anfing, hatte vielleicht nicht mehr sonderlich viel Leben in sich. »Habe Sie schon öfter gesehen. Sitze normalerweise da drüben.« Er deutete zu einer Nische auf der anderen Seite der Bar.
    »Ich komme nicht oft her. Es ist sehr ruhig ...«
    »Man kann mit sich selber reden, ohne belauscht zu werden.«
    Das Mädchen kam mit unseren Getränken und einem Schälchen Erdnüsse, und ich bezahlte und sagte ihr, sie könne den Rest behalten. Er schaute zu ihr hoch und schnitt offensichtlich ein Gesicht, das sie zum Lächeln brachte. Mich lächelte sie nicht an. Ich vermutete, daß er ein ganzes Stück jünger war als ich, aber er sah älter aus. Im Grund genommen bin ich nicht sehr gealtert, wobei ich zugeben muß, daß ich weder genug Haare noch Falten im Gesicht habe, an denen man das wirklich abschätzen könnte.
    Er hob sein Glas und stellte es wieder ab. »Sind Sie hierhergezogen, um den alten Knochen etwas Ruhe zu gönnen?«
    »Glaub schon, jetzt, da Sie es erwähnen ... Was ist mit Ihnen?«
    Seine Augen, das sah ich jetzt undeutlich, waren sehr hell und starrten mich unverwandt an. Seine Antwort war kaum mehr als ein Schnauben, ein höhnisches Geräusch. Dann fielen mir seine Hände auf, die langen Finger, die manikürten Nägel. Ich fragte mich, was er wohl sein könnte: ein verurteilter Mörder, ein Pädophiler, ein Betrüger oder Hochstapler? Die Augen starrten mich weiter an, musterten mich. Vielleicht dachte er ja dasselbe über mich — obwohl ich es als Hochstapler nie zu etwas gebracht hätte, dafür fehlte mir das Selbstvertrauen. Es ist beruhigend, keine Geheimnisse zu haben, wenn jeder andere etwas zu verbergen hat, aber daß die anderen glauben, man hätte etwas, macht einen nervös. Ich beschloß eben, ihn nicht zu mögen, und brauchte einen Grund dafür. Jeden Augenblick konnte er mich um zwanzig Pfund anpumpen. Würde es gut vorbereiten. Er hatte den Blick von jemandem,
der geübt ist, Vertrauen einzuflößen.

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