Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Plötzlich wurde mir bewußt, an wen er mich erinnerte: der unverwandte Starrblick, die witzelnde, bewußt unverschämte Stimme. Es war Webb, der so tat, als interessiere er sich für eine Sache, dabei aber an eine ganz andere dachte. Ich merkte, wie meine Hände miteinander spielten und es mir schwerfiel, seinen Blick zu erwidern — der meine huschte regelrecht hin und her –, ein Mensch wie er wäre der letzte, dem man vertraute, oder vielleicht der erste, wenn man darauf vertrauen könnte, daß Vertrauensunwürdigkeit nie wie ihr Gegenteil aussieht.
Er erwartete, daß ich weiterredete. Ich hatte keine andere Wahl.
»Kein schlechter Ort für den Ruhestand. Mein Posten wurde wegrationalisiert, im Finanzsektor, mehr oder weniger. Habe seitdem nicht mehr viel gemacht. Kinder erwachsen. Verheiratet. Die Kinder, meine ich.«
Er hörte sehr konzentriert zu. Seine Hände ruhten auf dem Tisch.
»Haben Sie selber auch Familie?« fragte ich schließlich.
»Ach ja, so was haben wir doch alle.«
Das war sehr wegwerfend gesagt, in bezug auf mich, nicht auf die anderen. Wer hatte eigentlich wen an seinen Tisch eingeladen? Wer hatte wem gegenüber einen Kommentar darüber abgegeben, daß man sich ein Barmädchen aus Neuseeland genauer anschaute?
»Und in welchem Bereich waren Sie tätig?« fragte ich.
»Ach, dies und das.« Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Ja, ich bin hier, um den alten Knochen etwas Ruhe zu gönnen. Ehrlich gesagt, für einen Finanzmenschen hätte ich Sie nicht gehalten.«
»Wofür hätten Sie mich dann gehalten?« Zum Narren, dachte ich mir.
»Gute Frage. Man sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich bin ab und zu mal hier. Vielleicht sieht man sich ja wieder.« Er drückte meine Schulter. »Nur noch eins, alter Junge.«
»Was?«
»Ach, egal, das hat Zeit. Das nächste Mal geht die Runde auf mich.«
Er stand auf und ging ins Licht. Seine Haare waren nicht weiß, sondern von einem sehr hellen Rötlich-Blond. Auf dem Weg nach draußen beugte er sich über die Bar und sagte etwas zu dem Barmädchen, das sie zum Lachen brachte. Sein Gang hatte etwas Angeberisches, was mich nur in meiner Überzeugung bestätigte, daß ihm nicht zu trauen war und ich ihn nicht mochte. Daß er das Mädchen zum Lachen gebracht hatte, das unreflektierte Vergnügen darin, hatte vielleicht auch etwas damit zu tun. Mädchen zum Lachen zu bringen ist besser als nichts — was es mit ihren Gesichtern anstellt, die Geräusche, die sie machen, was diese implizieren -, wozu natürlich sehr schnell gehört, daß das absolute Nichts, was es tatsächlich darstellt, deshalb überhaupt nicht besser ist.
Als sie zu mir kam, um mich zu fragen, ob ich noch etwas wollte, dachte ich, daß ich zumindest einen Versuch wagen sollte. »Ein Stammgast? Oder absolviert er hier nur seinen Dienst am Vaterland?«
Sie schaute mich völlig verwirrt an, und das pflichteifrige Lächeln verschwand ziemlich schnell. »Wie bitte, Sir?«
»Egal. Für mich keinen mehr, danke.«
»Wenn das dann alles ist.«
Sie nahm mein Glas, ohne mich anzusehen.
»Es ist ein langer Weg von Neuseeland hierher«, versuchte ich als nächstes.
»Davon habe ich keine Ahnung, Sir.«
»Aber ... ich dachte ...«
Nun lächelte sie doch, allerdings knapp. »Das hat er sich in den Kopf gesetzt. Ich komme aus Simbabwe.«
»Ah ja, natürlich. Tut mir leid.«
Sie drehte sich mit meinem leeren Glas in der Hand um. »Sie können doch nichts dafür.«
Plötzlich mußte ich an Foster denken, was er über einen ganz ähnlichen Landstrich gesagt hatte, wie seine mit Krankheit geschlagene
Frau in der afrikanischen Hitze geschmachtet hatte, wie er sich letztendlich selber hatte geschlagen geben müssen. Vielleicht hatte auch dieses schlanke Wesen, das sich so bemühte, höflich zu sein, obwohl es hier so fremd war, etwas Ähnliches überlebt. Mit Sicherheit wäre es lieber woanders. Ich schaute mich in dem rotgefärbten, winterlichen Dämmer um. Niemand würde gern hiersein und höflich sein müssen zu einem alternden Fremden, der nur das eine im Sinn hatte, das absolut nichts zu tun hatte mit Simbabwe — und der sich keinen Deut darum scherte, was sie, und Foster, zurückgelassen hatten. Ich wollte wirklich nicht, daß sie jetzt schon ging.
»Wofür kann ich nichts?«
Sie blieb stehen und drehte sich um. »Daß Sie es nicht wußten, Sir. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen.« Nun lächelte sie wieder, diesmal ziemlich süß. »Wahrscheinlich wissen Sie
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