Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
Vom Netzwerk:
hinauf und hinunter, als bräuchte, was sie eben gesagt hatte, eine Bestätigung.
    »Um gleich zur Sache zu kommen«, fuhr sie fort, »meine Schwester überlegt sich, Nummer siebenundzwanzig zu kaufen, und wollte meinen Rat in bezug auf Nachbarschaft, Infrastruktur ...«
    Ich hätte sie hereinbitten sollen, aber das tue ich nie. Vielleicht bin ich ein unfreundlicher, alter Miesepeter, aber ich mag es nicht, wenn Leute sich ein Urteil über mich bilden außer hinter meinem Rücken. Ich lebe nicht chaotisch oder dreckig; ich will einfach nicht, daß sich jemand umschaut und sagt oder denkt: »Sie lesen gerne, wie ich sehe, Sie gehen in die Bibliothek, nicht? Ach ja, die großen Entdecker. Alte Fotos, faszinierend ... Ein bißchen klassische Musik, sehr entspannend, finden Sie nicht auch ...« Oder daß sie sich ein Urteil bilden über die Wahl meiner Cornflakes oder, genauer, meines Müslis.

    »Sehr erfreut ...«, begann ich mit einem Lächeln, das offensichtlich einladend gewirkt hatte, denn sie erwiderte es und entblößte dabei Zähne, mit denen man sich ebensoviel Mühe gegeben hatte wie mit dem ganzen Rest — vom Lächeln glaubt man ja, fälschlicherweise, meiner Erfahrung nach, daß es der Schlüssel zu dem ist, was hinter der Fassade liegt. In diesem Fall warf es bei mir jedoch nur die Frage auf, ob sie allein lebte, und dann, mit welchen anderen körperlichen Aspekten es wetteifern mußte, gleich frühmorgens zum Beispiel.
    Das Lächeln blieb und hob sich damit selber auf. »Warum hat man denn eine Immobilienmaklerin als Schwester«, fuhr sie fort, »wenn man sie beim Hauskauf nicht um Rat fragen kann?«
    Ihre Stimme war jetzt völlig ins Vornehme abgesunken und hatte diesen gedämpften Tonfall angenommen, den man benutzt, wenn man mit Beträgen jongliert und Angebote diskutiert.
    »Ach«, sagte ich und machte ein betrübtes Gesicht, »ich fürchte, ich kann meine Schwester bei gar nichts um Rat fragen.«
    Das vertrieb das Lächeln. »Tut mir leid«, sagte sie mit einem Stirnrunzeln. Auch sehr geübt. Vielleicht auch nicht. Sie brauchte nicht zu wissen, daß ich gar keine Schwester hatte.
    Wieder schaute ich die Straße hinauf und hinunter. »Da gibt es eigentlich nicht viel drüber zu sagen. Bushaltestelle am Fuß des Hügels. Müllabholung am Donnerstag. Straßenfeger jeden zweiten Februar oder so. Milch wird geliefert. Ärztehaus ungefähr acht Minuten zu Fuß. Tante-Emma-Laden am Fuß des Hügels. Dort kriegt man fast alles. Post gleich neben dem Ärztehaus. Kaufhäuser in der Innenstadt an der Endhaltestelle des Busses. Schulen und Supermarkt ebenfalls an der Busroute ... Hier und dort ein paar Kirchen. Einige sehen alt aus. Andere eher modern. Deutlich beschriftet, wenn ich mich recht erinnere ...«
    Sie wurde langsam ungeduldig. Jetzt keine Zähne mehr. »Nachbarn ...«
    »Ja, von denen gibt’s einige.«
    »Ich meine, sind sie laut ...? Partys? Wissen Sie, meine Schwester ...«
    Ich erinnerte mich, daß Mrs. Felix zweimal die Straße hochgelaufen
war und an Türen geklopft hatte, um laute Musik zu unterbinden, seitdem jedoch hatte ich nichts mehr gehört — bis auf ein- oder zweimal im Sommer, wenn man die Fenster offenlassen mußte. Auf Mrs. Felix konnten wir uns alle verlassen.
    Ich wollte, daß sie jetzt ging. Im Hintergrund erklang schöne Klaviermusik auf Radio 3.
    »In der Hinsicht brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Der Dirigent hat sich gegen eine Generalprobe entschieden. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich erwarte ...«
    »Der Dirigent hat was? Aber natürlich. Es tut mir wirklich leid, daß ich Sie belästigt habe. Sie haben mir wirklich sehr geholfen.«
    »Wenn Ihre Schwester wirklich hierherzieht, freue ich mich schon, sie kennenzulernen.«
    Sie schaute mich sehr lange und prüfend an, wie ein Haus, dessen grundlegende Merkmale nur schwer auszuschmücken waren.
    »Falls sie es kaufen sollte, wäre es schön, wenn Sie vorbeischauen und ... Sie ist ... wenn Sie sie willkommen heißen könnten. Sie ist...«
    Ihr Ausdruck war jetzt sehr verändert. Das Lächeln war zurückgekehrt, man sah jetzt sogar noch mehr Zähne, aber die Fassade wirkte irgendwie bröckelig, als müßte sie ausgebessert werden, und zwar bald.
    »Natürlich«, sagte ich. »Das tue ich sehr gerne.«
    »Da scheine ich ja einen Glückstreffer gelandet zu haben.«
    »Ach ja, mir gefällt es hier. Beziehungsweise, mir fällt nichts ein, was gegen die Gegend sprechen könnte.«
    »Das habe ich nicht

Weitere Kostenlose Bücher