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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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hatte — einer ihrer Delinquenten, der eine neue Seite aufgeschlagen hatte, auch wenn das ganze Buch sich bereits auflöste und ihm die Blätter braun und verschrumpelt aus den Händen glitten.
    Wir sprachen natürlich über Adrian und Virginia. Früher hätte der Gedanke, Adrian könnte ein Kapitalist werden (was er inzwischen in beeindruckendem Maße war, stellte er doch die Berechungen für massive Firmenübernahmen an und profitierte enorm von ihnen), sie entsetzt. Die Politik der Privatisierung hatte ihm außerordentlich gutgetan. Ich hatte erwartet, daß sie deswegen gewisse Zweifel ausdrückte oder zumindest andeutete. Aber sie redete nur von seinem Glück, seinem Erfolg, seiner Ehe. Die Freude in ihrer Stimme war moralisch völlig ungetrübt.
    »Aber wünschst du dir nie, daß er denselben Erfolg in einem Bereich hätte, der weniger ...«, fragte ich.
    Sie warf mir einen schüchternen, fast flirtenden Blick zu. »Du nicht, oder?«
    »Auf keinen Fall. Aber du kennst mich ja, völlig skrupellos.«
    »Ich muß sagen, mir ist es viel lieber, daß Adrian so etwas macht, als viele andere, die es tun.«

    »Jane natürlich auch.«
    Sie schwieg und schaute weg. So ahnte ich zum ersten Mal, daß etwas nicht stimmen könnte. Sie wird ihn doch nicht verlassen wollen, o Gott, nur nicht das. Mir lief es kalt über den Rücken. Jane ... Der Augenblick verging, und sie redete bereits über Virginia.
    »... noch immer keine Arbeit, aber sie hat einen Teilzeitjob in einer Klinik. Er hat allerdings Aussicht auf einen Zeitvertrag.«
    »Ich habe den Eindruck, er leidet ziemlich darunter.«
    »Ja. Erst kürzlich hat ein Bericht sehr deutlich dargelegt, daß die Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf den grundlegenden Zusammenhalt der Familie auf keinen Fall unterschätzt werden dürfen ...« Offensichtlich merkte sie etwas an der Art, wie ich die Gabel mit einer aufgespießten Fritte vor meinen Mund hielt. »Tut mir leid, Tom. Wie ich schon wieder rede. Ich kann’s einfach nicht lassen. Ich hab dich wirklich ganz schön mit Fachchinesisch zugemüllt, hm? Ja, er leidet wirklich darunter. Aber Virginia war ganz wunderbar. Ich fühle sehr mit ihr...« Ich nickte und steckte mir die Fritte in den Mund. »Adrian hat ihnen ziemlich viel Geld geliehen; sie bestand natürlich darauf, daß es nur ein Kredit ist.«
    »Der leicht rückzahlbar ist, wenn mein Testament verlesen wird. Da gibt’s keine Probleme.«
    Sie lächelte und runzelte dann die Stirn. »Weißt du, Adrian hat viel, viel mehr, als er braucht. Keine Kinder in Sicht und jetzt ... Er hätte es ihr sehr gern einfach geschenkt, aber Richards Stolz usw., usw.«
    Und jetzt? Was meinte sie damit? »Das ist das Problem«, sagte ich. »Er hat einfach was von einem Verlierer an sich. Nicht viel Grund für Stolz in sich, deshalb wendet er sich was anderem zu. Nach außen ... Weiß auch nicht. Das ist dein Fachgebiet.«
    Wieder gab es eine lange Pause. Sie sah sehr müde aus. Müde auch der Analyse und des Kauderwelschs. Tatsächlich dachten wir beide so ziemlich genau dasselbe. Das weiß ich, weil sie es war, die es sagte.
    »Wir hatten ziemlich gute Kinder miteinander, nicht?«
    Ich mußte nur nicken. »Weißt du noch ... Gar nicht weit weg von hier?«

    »Daß wir packen und nach Hause fahren mußten. Das weiß ich noch sehr gut. Ihre Gesichter. Sie haben es hier so geliebt  ...«
    Inzwischen hatten wir zu Ende gegessen. Ich lud sie nicht in mein Haus ein. Wir hätten in Erinnerungen schwelgen können an die gute alte Zeit, hätten sie mit Sicherheit auch ein wenig geschönt. Man kann beschließen, sich nur an das Beste zu erinnern. Das mag unredlich sein, außer man beschließt, es als Orientierungspunkt für das weitere Leben zu nehmen. Ich zahlte und half ihr in den Mantel; etwas, das sie früher sehr gut auch alleine konnte, vielen Dank. Einen kurzen Augenblick lang hielt ich ihre Arme fest.
    »Vielen Dank, daß du gekommen bist. Wir müssen in Verbindung bleiben ...«
    »Wenn du mal in London bist ...«
    Wir gingen hinaus und standen auf der Hoteltreppe. Im vollen Sonnenlicht schaute sie mich an, und ich sah in ihrem Gesicht, wie sie am Anfang gewesen war, und auch, wie ich vorausgesehen hatte, daß sie jetzt aussehen würde. Und daraus folgten all die anderen Gedanken, die ich über sie gehabt und niedergeschrieben hatte. Es war ganz einfach. Es war nicht nur, daß ich sie nicht glücklich gemacht hatte. Es war, daß ich es nicht getan hatte, weil ich mich dauernd

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