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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Leuchten. Je heller das Licht, desto deutlicher sieht man natürlich die Sprünge. Das ist der Grund, warum ich die Schale nicht mehr auf dem Fensterbrett stehen habe, damit sie soviel Licht wie möglich einfängt. Sie ist noch immer mein Lieblingsstück. Sie erinnert mich auch an meine Mutter. Sogar sie mochte die Ranasinghes. Ich werde immer bedauern, daß sie
es ihnen nie sagte. Sooft ich die Schale anschaue, frage ich mich, wie es ihnen wohl geht mit dem Laden meines Vaters. Sie denken ebenfalls oft an uns, reden ab und zu von uns, erinnern sich an die Schale. Da bin ich mir ziemlich sicher. Irgendwie scheint mir die Schale selbst diese lebendige Gewißheit zu vermitteln.
    Die Nacht wird immer länger. Es hat angefangen zu regnen. Ich werde mit Reue und Kopfschmerzen aufwachen. Um deshalb diese Abschweifung zu Ende zu bringen: Sooft ich nach diesem Tag nun in den Laden gehe, gebe ich mich immer sehr vital und gesund, damit sie auch sehen, wie gut mir ihre Lebensmittel tun. Ab und zu lasse ich auch Bemerkungen in diese Richtung fallen. Mir wäre nur lieber, ich könnte etwas gegen meine Wampe tun, über die ich mir streiche, wenn ich eine Delikatesse kaufe, und es kommt sogar vor, daß ich mir die Lippen lecke und so blöde Sachen sage wie: »Das Leben ist gefährlich, mh?«
    Einmal traf ich Mrs. Patel mit ihren Kindern, einem Jungen und einem etwas älteren Mädchen, auf meinem Rückweg vom Laden etwa auf halber Höhe des Hügels. Ich schnaufte und schwitzte und vermittelte ganz allgemein den Eindruck eines Mannes, der nicht mehr lange auf dieser Welt weilen wird. Zum Glück sah ich sie schon aus einiger Entfernung kommen und konnte so meine Einkaufstaschen abstellen, um mir die Schuhe zu binden. Ich war erst teilweise wieder bei Atem, als sie mich erreichten. Erst sah es so aus, als würden sie nicht stehenbleiben, aber plötzlich taten sie es doch.
    »Guten Morgen. Er ist ja wirklich wunderschön«, sagte ich, ohne Atem zu holen.
    »Sagt guten Morgen zu Mr. Ripple«, sagte sie und klopfte den Kindern leicht auf den Rücken.
    Das taten sie auch. Es wäre mir lieber gewesen, ich hätte nicht so heftig geschwitzt und geschnauft.
    Die besorgte Miene kehrte auf Mrs. Patels Gesicht zurück. »Wir können Ihnen alles liefern«, sagte sie. »Das wäre überhaupt kein Problem.«
    »Ach du meine Güte, nein«, erwiderte ich. »Mein Arzt rät mir dringend zu diesen Märschen den Hügel rauf und runter. Tut mir
nur gut, meint er. Ehrlich.« Ich mußte dreimal atmen, um diese Sätze zu sagen.
    Während sie ihre Kinder anstupste und sich mit ihnen wieder auf den Weg machte, wirkte ihr Gesichtsausdruck höchstens noch besorgter als zuvor ...
    »Aber dennoch vielen herzlichen Dank«, sagte ich.
    Als sie davongingen, hörte ich das Mädchen sagen: »Er ist ein alter Mann, nicht, Mama?«
    »Sehr alt«, fügte der Junge hinzu.
    Wenn ich jetzt die Kinder allein sehe, lege ich deshalb ein übertrieben altmännerliches Verhalten an den Tag, mit gebeugtem Rücken schlurfe ich mühsam dahin. Sie wissen nicht so recht, ob sie mitleidig schauen oder lachen sollen. Ich bringe sie in eine furchtbare Zwickmühle, indem ich ihre makellose Höflichkeit auf den Prüfstand stelle. Geschieht den kleinen Rackern recht.
    Jetzt ins Bett. Das Licht ausmachen. Und wie an jedem Abend werde ich mich auf der Treppe noch einmal umdrehen und die Schale geheimnisvoll in der Dunkelheit leuchten sehen.
     
    Einige Wochen sind vergangen. Die Notizen und das getippte Material sind einigermaßen geordnet. Das folgende wurde einige Zeit nach dem Besuch der Immobilienmaklerin geschrieben.
     
    Ungefähr zwei Monate später stand ein Umzugslaster vor Nummer 27. Ich stand zu meinem Wort, ließ ihr aber ein oder zwei Tage Zeit, bevor ich an ihre Tür klopfte.
    Auf den ersten Blick hätte sie nicht verschiedener von ihrer Schwester sein können, vor allem war sie ein gutes Stück älter, wobei das allerdings, wenn ich es mir recht überlege, auch auf ihren Mangel an Make-up zurückzuführen sein könnte. Es gab eine Ähnlichkeit in den Augen, das kurze Aufblitzen von Panik darin, und im Mund, in der Art, wie sie die Zähne entblößte.
    »Ich habe Ihrer Schwester gesagt, daß ich mal vorbeischauen werde. Tom Ripple von Nummer dreizehn. Willkommen in unserer Straße. Bitte lassen Sie es mich wissen, wenn ...«
    Anfangs wirkte es so, als hätte ich genausogut in einer fremden
Sprache reden können; sie starrte mich einfach an, so sehr, daß ich wiederholen mußte,

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