Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
beiden Kindern auf der Straße traf und ihm sagte, daß sein wunderbarer Laden so ziemlich alles habe, was ich je brauchen würde — nur schade wegen der Pate de foie gras im Weißen von Wachteleiern, eine Spezialität, an die ich mich gewöhnt hätte, als ich noch häufiger im Bogdillianos gegessen hätte, vor allem nach der Oper. Ich war mir ziemlich sicher, daß er mich überhaupt nicht verstanden hatte. Wir redeten danach über andere Sachen, etwa, wie glücklich sie seien, in unserer Straße zu leben, wie freundlich jeder sei, wie gut ihre Kinder sich
in der Schule machten — das brauchte er mir allerdings nicht zu sagen, das sah man auf den ersten Blick. Kurz nachdem wir uns verabschiedet hatten, hörte ich Mrs. Patel ziemlich heftig auf ihn einschimpfen, was, da sie eben noch zu allem, was er sagte, nur brav nickte, eigentlich überhaupt nicht zu ihr paßte.
Als ich zwei Wochen später den Laden betrat, winkte er mich eifrig in einen Lagerraum im rückwärtigen Teil und zeigte mir mit unglaublichem Stolz einen Karton mit ... genau. »Ich habe die nur für Sie besorgt, Mr. Ripple.« Ich simulierte natürlich große Freude, und in den folgenden vierundzwanzig Wochen kaufte ich bei jedem Besuch eine Dose mit dem Zeug. Natürlich tauchten die Dinger weder im Schaufenster noch in irgendeinem Regal auf. Kaum sah er mich kommen, wickelte er eine Dose in eine braune Papiertüte und steckte sie mir, wenn kein anderer Kunde herschaute, mit einem Zwinkern in die Einkaufstasche. Das Problem wurde natürlich immer größer. Wie sollte ich ihm beibringen, daß ich von ihm keine Nachbestellung mehr wollte, wenn der Karton endlich leer war? Es war nicht nur teuer — dieses Produkt aus Elsaß-Lothringen –, sondern auch ziemlich abscheulich. Mrs. Hirsts Katzen mochten es allerdings. So mußte ich ihm schließlich sagen, daß mein Arzt mich vor Pate gewarnt habe; sie sei einfach zu fett. Er war sehr enttäuscht und fragte mich, was für eine kleine Köstlichkeit er mir statt dessen besorgen könne. Seine Frau war ebenfalls dabei und nickte sehr eifrig. Wie dankt man solchen Leuten? Die tun doch nur ihre Arbeit, würden einige sagen. Ich nicht.
Mein Arzt warnt mich übrigens nicht vor fettem Essen, obwohl meine Cholesterinwerte beharrlich zu hoch sind. »Lebensqualität, Mr. Ripple«, sagte er einmal zu mir. »Vergessen Sie das nicht. Je länger es ist, desto geringer der Spaß, wenn man daraus seine Befriedigung bezieht.« Er sah meine hochgezogene Augenbraue. »Ach du meine Güte. Tut mir leid. Ich meine natürlich das Leben. Was müssen Sie jetzt von mir denken?« Er kicherte und schrieb mir dabei ein neues Rezept aus. »Butter, Zigarren und so weiter, das ist natürlich alles sehr viel besser als Margarine, Mineralwasser
und Kaugummi. Alles mit Verstand, das ist mein Rat; allerdings, wie heißt es so schön vom Glauben, der über den Verstand hinausgeht?« Er ließ das so stehen und hielt mir nur das Rezept hin.
»Mein Glaube an Sie ist unverbrüchlich, Doktor«, sagte ich schwach.
»Sagen Sie das bloß nicht Ihrem Vikar«, erwiderte er mit einem schrillen Schnauben.
Ich dachte an den einzigen Vikar, den ich kannte, und fragte mich, was aus ihm in seinem Krieg gegen die Modernisierer geworden war. Ich hätte ihm alles sagen können, er hatte ja selbst so wenig Glauben — was ihn, soweit ich weiß, zu einem besseren Christen machen könnte.
Ich schweife ab, und das ist nicht die Folge von Mineralwasser und Kaugummi. Es ist ein Uhr morgens. Ich erinnere mich jetzt an Mrs. Patels Gesicht, ihre bestürzte Miene, als ich sagte, daß die Pate mir schade — als hätte ich ihr gesagt, das Zeug hätte mich langsam vergiftet, und ich hätte nicht mehr lange zu leben. Worum es mir geht: Sie machten sich nicht im geringsten Sorgen um ihren Ruf, ihre Lizenz, die Gesundheitsprüfer oder was auch immer — sie machten sich Sorgen um mich. Ich weiß nicht, wie man merkt, wenn Leute uneigennützig sind, aber man merkt es, wie bei allem, was wirklich selten ist, vermute ich zumindest.
Mein Blick ist eben zu der Kommode gewandert, auf der die Schale steht, die mir die Ranasinghes vor so vielen Jahren geschenkt haben. Sie ist beim Umzug in drei Teile zerbrochen, aber ich habe sie ziemlich erfolgreich wieder zusammengeklebt. Die Sprünge sind natürlich zu sehen und auch mehrere abgeschlagene Stellen am Rand. Dennoch glänzt sie noch immer in ihrem ganzen Kaleidoskop von Farben und verwandelt jedes Licht in ein schimmerndes
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