Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
was ich gesagt hatte, und das sehr langsam.
»Ach, tut mir leid, tut mir wirklich leid«, erwiderte sie. »Natürlich. Wie freundlich. Vielen Dank ...«
Hinter ihr entstand ein Geräusch, und sie drehte sich halb um und bewegte sich ein Stück zur Seite, um mir die Sicht zu versperren, wie es schien. Ich erhaschte einen flüchtigen Blick auf ein kleines weißes Gesicht mit einem schwarzen Pony.
Ich trat einen Schritt zurück. »Bitte scheuen Sie sich nicht, mich anzurufen. Wirklich. Zu jeder Zeit.«
Sie wurde noch verlegener. »Vielen Dank. Tut mir leid. Ich habe nicht erwartet, daß ...«
Dann schloß sie ziemlich abrupt die Tür. Ich meinte eine erhobene Stimme drei oder vier Wörter sagen zu hören. Sie hätte zu jemand anderem gehören können, denn ihre Stimme war der ihrer Schwester sehr ähnlich, zwar weniger selbstbewußt, aber darum bemüht, weder das eine noch das andere zu sein, ein imaginäres Ideal imitierend auf diese unnachahmliche englische Art. Natürlich, vielleicht hatte sie auch nur mit einem Haustier gesprochen ...
Eine Woche zuvor traf ich den Mann mit der getönten Brille, den ich an jenem Winterabend im Connaught kennengelernt hatte. Im Laden an der Ecke. Wir griffen eben beide nach einem Milchkarton. Er trug wieder diese Brille, die in dem grellen Licht noch undurchdringlicher zu werden schien, so daß die Augen nun fast gar nicht mehr zu sehen waren. Die dunkle Tönung seines Gesichts war zu einem weißlichen Rosa geworden.
»Aufgegeben, was?« sagte er ziemlich laut, was mich erschreckte, da ich ihn gar nicht neben mir hatte stehen sehen, sondern mich auf das Käseangebot konzentrierte und gerade in diesem Augenblick an Virginia dachte, wie sie im Krankenhaus lag, ihre Hand auf die meine legte und sich ihre Augen mit Tränen füllten. Diese Stimme: »Nicht, Dad! Bitte!«
Einige Augenblicke starrte ich ihn nur an. »Nein, eigentlich nicht. Habe schon vor, noch ein bißchen durchzuhalten. Das neue Millennium möchte ich auf jeden Fall noch begrüßen.«
Er hob den Ellbogen. »Das Trinken, habe ich gemeint. Habe Sie schon länger nicht mehr im Connaught gesehen.«
Ein Kommentar erübrigte sich. Ich griff nach einem 10er- Päckchen Kraft Scheibletten und legte es neben die Milch.
»Scheißmillennium«, sagte er. »Für mich hat das absolut keine Bedeutung.«
»Geht mir ziemlich genauso«, erwiderte ich und wollte schon weggehen, nahm mir dann aber noch ein zweites Päckchen Scheibletten aus dem Regal.
»Möchte nur wissen, warum die Leute das so mit Bedeutung aufladen. Es geht doch einfach immer nur weiter.«
Ich zuckte die Achseln. »Mir ist das Ganze so ziemlich egal.«
Er folgte mir den Gang entlang. Wir legten beide ein Glas Nescafé in unsere Körbe. »Ripple heißen Sie, haben Sie gesagt, nicht?« sagte er, und seine Stimme klang, als hätte er sich noch immer nicht geräuspert. Nun folgte, was unweigerlich folgen muß, wenn man einen Namen hat, der »kleine Welle, Kräuselung« bedeutet. »Große Wellen haben Sie in Ihrem Leben wohl nicht geschlagen, was?« bemerkte er spöttisch.
Ich zeigte ihm deutlich, daß ich nicht lächelte oder zumindest nicht sehr. Nach der Schulzeit, als mein Name seinen Nutzen hatte für jene, die sich nicht vorstellen konnten, daß ich mich in meinem Leben je in stürmische Gewässer wagen würde, hatte nur Plaskett versucht, daraus einen Witz zu machen. Es passierte im Golfclub, als er mich einem der Ärzte vorstellte, die wir (er) beeindrucken mußte(n). Es war ein großer Mann mit trauriger Miene, als hätte man eben etwas Verletzendes zu ihm gesagt. Mir auf den Rücken klatschend, sagte Plaskett mit einem dröhnenden Auflachen: »Mein stellvertretender Verkaufsdirektor, Tom Ripple. Kann aber ganz schön Wellen schlagen, wenn er will.« Der Arzt gab mir ohne den Anflug eines Lächelns die Hand und warf dabei Plaskett einen so verächtlichen Blick zu, daß er errötete und mindestens zehn Sekunden lang den Mund hielt. Das Gespräch wandte sich dann den Sandbunkern am siebten Loch oder sonstwo zu.
Als der Mann sich einer anderen Gruppe zuwandte, flüsterte
Plaskett, noch immer rotgesichtig, mir zu: »Ehrlich gesagt, nicht unbedingt einer, mit dem ich gern Geschäfte machen würde.«
Nach dem Mittagessen stand ich zufällig neben dem Arzt in der Herrentoilette. Er würdigte mich kaum eines Blicks, aber auf dem Weg hinaus blieb er an der Tür stehen, zog eine Visitenkarte aus seiner Brieftasche, kritzelte mit dem Füller aus seiner
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