Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Es gab nichts zu sehen, da er zu Mrs. Felix hinüberschaute, die, man glaubt es kaum, sagte: »Aber das war doch richtig gut für Sie.«
»Und Sie, Mr. Felix?«
»Ardingly. Nicht, daß das heutzutage noch irgend jemandem was sagt. Der Rest ganz ähnlich wie bei Ihnen. Nichts, worauf man besonders stolz sein könnte.«
Mrs. Felix war nicht gesinnt, ihm in diesem Punkt zuzustimmen. »Warum soll man sich für etwas schämen, was man heute eine privilegierte Erziehung nennt? Warum wollten Leute aus bescheidenen Verhältnissen, wie Sie selbst, Mr. Ripple, denn so unbedingt dorthin? Weil es das Beste war, ganz einfach.«
Ich dachte an meine Mutter, die meinem Vater gesagt hatte, daß er, nur weil er aus bescheidenen Verhältnissen stammte, deswegen nicht gleich vor Bescheidenheit das Haupt senken müsse. Es gebe aber auch nichts, weswegen man vor Stolz das Haupt erheben müsse — es gebe viel zuviel Stolz und Demut in der Welt, wo man doch eh keine Wahl hätte. Anscheinend hatte sie irgend etwas gehört oder gelesen, denn sie sagte mir, nach Oxford oder Cambridge brauchte ich gar nicht zu gehen, denn da würden die Studenten nur immer in den frühen Morgenstunden über die Mauer klettern, und keiner würde auch nur einen Strich arbeiten, und es gebe auch keine vernünftigen sanitären Einrichtungen, deshalb hätte jeder einen Nachttopf unter dem Bett — ganz zu schweigen davon, daß ich nicht auch nur annähernd intelligent genug dafür sei, und ich wäre auch keinen Deut intelligenter, wenn
sie dort mit mir fertig wären. Mein Vater sagte gar nichts dazu. Oxford und Cambridge waren für ihn so weit weg, daß sie ebensogut über Marco Polos Reisen in den Orient hätte reden können.
Mrs. Felix war inzwischen bei den Studentinnen.
»... ich legte ihnen mit ziemlich klaren Worten dar, daß das Privileg der Bildung Rücksichtnahme auf andere und das Setzen von Maßstäben nach sich ziehen sollte. An der Art, wie sie mich mit offenem Mund anstarrten, sah man deutlich, daß sie keine Ahnung hatten, wovon ich sprach. Sie wirkten irgendwie so benebelt. Wahrscheinlich auf Drogen. Wenn diese Musik nur nicht so hirnlos wäre. Und diese lächerlichen Metalldinger überall im Gesicht. Aber wahrscheinlich immer noch besser als gefärbte Haare ...«
Mr. Felix sah zu, wie sie mit einem Ohrring spielte, und setzte eine extreme Version seines Schuljungen-Ausdrucks auf, er blinzelte hinter seiner runden Brille und kratzte sich den Kopf. Mrs. Felix schaute mich sehr eindringlich an, offensichtlich erwartete sie meine Zustimmung. Dann sagte sie: »Da werden Sie mir doch sicher zustimmen, Mr. Ripple. Ich meine, bei Ihrer Herkunft. Und weil Sie es zu was gebracht haben.«
Ich trank einen Schluck von meinem Sherry und schaute auf die Uhr.
»Ach du meine Güte«, sagte ich. »Hiermit erkläre ich ...«
In diesem Augenblick kam mir der Zufall zu Hilfe. Mein Blick fiel auf eine Biographie von William Tyndale auf dem grob behauenen Couchtisch, der zu den Teppichen paßte.
»Ach«, sagte ich und deutete auf das Buch. »Vor dem wir täglich das Knie beugen sollten, gab er uns doch Sprache und erlöste uns von dem Lateinischen ... Was wäre die autorisierte Version ohne ihn ... Nun gut, ich erwarte noch einen Anruf von Professor Brigstock. Irgendein triviales Detail bezüglich einer kleinen Monographie, an der ich gerade arbeite ...«
Ziemlich übertrieben, könnten Sie jetzt sagen. Die Sache mit Tyndale klang ziemlich eindrucksvoll, dachte ich, allerdings hatte ich die Formulierungen noch im Kopf, da ich nach Janes Beerdigung einen Tag in der Bibliothek zugebracht und ein wenig über
ihn nachgelesen hatte, um mich abzulenken, wodurch ich sie noch mehr vermißte. Offensichtlich waren sie ähnlich beeindruckt. Das merkte ich an der Art, wie Mr. Felix irgend etwas über die Bibel stammelte und Mrs. Felix mich mit großen Augen anstarrte. Bevor sie mich zu mehr verleiten konnte, sagte ich: »Aber das ist nicht mein Fachgebiet, die Sprache, meine ich. Die Reformation dagegen ...«
Und damit trank ich mein Glas aus, dankte ihnen und verabschiedete mich mit den Worten: »Ihre Teppiche gefallen mir sehr gut. Eben nicht von den Himalaya-Stämmen. Man sieht den Unterschied, aber nicht auf den ersten Blick. Das ist ja das Spannende daran ...«
Sie standen nebeneinander an der Tür und grinsten albern, und ich winkte auf das freundlichste, die Hand hoch über dem Kopf leicht linkisch schwenkend, wie Oxford-Absolventen es tun oder vielleicht
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