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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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auch nicht. Ich bedauerte es allerdings sofort, als ich mich umdrehte und sah, daß Bridget uns beobachtete. Kein Zweifel mehr, daß Mrs. Felix und ich die dicksten Freunde waren, und bestimmt war ich es gewesen, der sie dazu angestachelt hatte, sich über den Lärm zu beschweren. Auf dem Rückweg zu meinem Haus mußte ich an ihr vorbei.
    »Na, hallo«, rief ich. Sie starrte mich nur an. »Nachbarschaftskontakte pflegen, Sie wissen schon.«
    Vielleicht war sie in Gedanken woanders, konzipierte gerade eine Dokumentation über herrschsüchtige alte Schachteln und geile alte Knacker.
     
    Danach sah ich die Felix eine ganze Weile nicht. Als ich sie wieder traf, winkten sie mir von der anderen Straßenseite sehr herzlich zu ... Ich hatte sie kommen sehen und deshalb Zeit gehabt, eine gelehrte Miene aufzusetzen, als wäre ich tief in Gedanken versunken, so daß dann ihr Anblick eine große und willkommene Überraschung war, der mir ein wenig die Last des Wissens von den gebeugten Schultern nahm. Offensichtlich hatten sie keine Nachforschungen angestellt. Falls man mich dennoch bedrängte, hatte ich in der Bibliothek ein obskures Forschungsthema aufgetan,
über das ich mit Professor Brigstock von Zeit zu Zeit konferieren mußte.
     
    Eines Vormittags traf ich an der Bushaltestelle zufällig Bridget und zwei ihrer Freundinnen.
    »Aha!« sagte ich und überlegte mir dabei, welches der Bücher oben auf dem Stapel lag, den ich in die Bücherei zurückbrachte, eine Ruth Rendell oder die vier Essays über die Freiheit von Isaiah Berlin.
    (Solche Bücher leihe ich mir gelegentlich aus. Ich lese sie nicht Wort für Wort, nicht einmal Seite für Seite. Ich kriege nur gern ein Gefühl dafür, wie Ideen und ihre Formulierungen in ihrer tiefsten und am besten strukturierten Form aussehen können. Ich komme mir bei der Lektüre natürlich minderwertig vor, andererseits will ich den Leuten auch zeigen, daß das die Sachen sind, die ich lese. Einigen Leuten. Studenten zum Beispiel. Meine beiden Nachbarn würden einfach denken, daß ich mir mit Büchern die Zeit vertreibe. Mir fällt jetzt wieder ein, daß ich einmal versucht habe, über die Freiheit zu schreiben. Da ich nun aber eine Kostprobe von Berlin hatte, könnte ich es nicht ertragen, mir das Zeug noch einmal anzuschauen, zeigte es doch so unverblümt die Seichtheit meines Geistes. Gott, wie beschämt können wir werden von der Armseligkeit unseres eigenen Denkens, da andere sehr viel tiefer und komplexer gedacht haben, als wir es je könnten. Aber sie tun es in unserem Namen, darum geht’s doch, oder? Irgend jemand muß es ja tun. Irgend jemand muß eine ganze Menge in unserem Namen tun, und das meiste davon ist auch ziemlich armselig.)
    Die Mädchen hatten alle ebenfalls Bücher. »Große Geister denken ähnlich«, sagte ich und verdiente das völlig ausdruckslose, kollektive Viertelkichern, das ich erntete.
    Bridget schaute inständig den Hügel hinunter nach dem Bus. Die beiden anderen wichen ein wenig vor mir zurück, als würden sie eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme ergreifen. Beide trugen lange Kleider, eins dunkelbraun, das andere hellbraun, beide von der eher billigen Sorte. Sie hatten auch beide braune Haare, nur
war die Abstufung andersherum. Beide hatten in etwa dieselbe Anzahl von Metallknubbeln in den Ohren. Die eine hatte auch noch zwei Knubbel in der Nase. Die andere zwei an der Unterlippe. Bei Bridget klebte ein Pflaster, wo ihr Knubbel gewesen war. Die beiden anderen Mädchen versuchten, weder zu lächeln noch die Stirn zu runzeln, damit ihre Gesichter nur ja nichts verraten konnten. Bei beiden nicht die geringste Spur von Make-up, um die Pickel zu verdecken oder zu irgendeinem anderen Zweck. Sie waren alle hübsch auf eine verlorene, strenge Art, als gingen sie nicht in eine Lehr-, sondern in eine Besserungsanstalt, in der das Essen schlecht war und die Freizeit im Gebet verbracht wurde. Ich starrte sie an.
    »Scheißbus«, sagte Bridget.
    Ich hatte nichts zu verlieren. »Keine Partys in letzter Zeit, mh?« fragte ich jovial.
    »Keine Chance«, sagte sie.
    »Ach ja«, erwiderte ich. »Natürlich. Wenn ihr eine gehabt hättet, hättet ihr mich eingeladen. Musik bringt ein bißchen Leben in die alte Straße. Man muß sich auch mal entspannen. Immer nur Arbeit und kein Vergnügen ... Zu meiner Zeit ...«
    Nun suchten auch die beiden anderen sehnsüchtig nach dem Bus.
    »Studieren Sie auch Medienwissenschaften?« fragte ich als nächstes, um die Ungeduld aus

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