Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
ihren Gesichtern zu vertreiben; wie anders würden ihre Mienen wohl aussehen, fragte ich mich, wenn ihre Sehnsucht auf einen Geliebten, nicht einen Bus gerichtet wäre?
»Sozialarbeit«, sagte die erste mürrisch, als hätte ich es eigentlich wissen müssen.
»Umwelt und Gesundheit?« sagte die andere, als erwartete sie, daß ich nicht die geringste Ahnung hatte, was das sein könnte.
Ich nickte, wie ich hoffte, anerkennend. Denn genau so war es gemeint. Die wichtigen Dinge. Ich dachte an all das Gute, das meine frühere Frau zu tun versucht hatte. Brad natürlich auch. Dinge, die im Christchurch College in Oxford vielleicht nicht angeboten wurden?
»Um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.« Dies vor allem als Abschluß meines Nickens.
Sie wechselten Blicke, nicht spöttisch, sondern so, als wäre ihnen diese Idee noch gar nicht gekommen. Bridget rechnete sich ebenfalls mit dazu, obwohl Medienwissenschaften gar nicht in diese Kategorie gehörten, soweit ich das wußte.
»Hoffentlich«, sagte eine der anderen und lächelte nett, es hätte beinahe dankbar sein können, und auch der Augenkontakt war mehr als minimal.
»Ich wäre auch gern in den Genuß einer höheren Bildung gekommen. Allerdings, wenn ich eine gehabt hätte, ob das die Welt zu einem besseren Ort gemacht hätte oder nur mich an bessere Orte geführt hätte oder auch nicht ... aber wenigstens meine Grammatik hätte sie verbessert ... Na ja, das Problem mit der Universität des Lebens liegt offensichtlich darin, daß man keinen Abschluß dafür bekommt, obwohl es ja nicht nur eine Frage des Abschlusses ist, oder vielleicht doch, ich meine, wenn man mit mehr oder weniger ausgekommen ist, was ...«
Sie schauten mir geduldig zu, wie ich versuchte, meinen Gedanken zu einem Abschluß zu bringen. Darin würden sie einmal gut sein müssen. Leuten geduldig zuzuhören, ohne ihnen das Gefühl zu geben, daß sie völligen Blödsinn reden. Mich rettete der Bus, der unten an Fuß des Hügels um die Ecke bog.
»Na ja, wie auch immer, viel Glück«, brachte ich gerade noch heraus, was in diesem Zusammenhang ziemlich zahm wirkte, deshalb fügte ich hinzu: »Kämpft den guten Kampf«, und hob die Faust.
Genau in diesem Augenblick fuhren die Felix vorbei. Es hätte durchaus so aussehen können, als wäre die Faust gegen sie erhoben, und die Studentinnen grinsten, weil der Bus kam, wie ich hoffte, daß die Felix glaubten. Bridget winkte ihnen, und ich winkte ebenfalls. Die beiden anderen Mädchen ließen sich anstecken und winkten auf ziemlich übertriebene Art, als würden sie Soldaten bei der Rückkehr von fremden Schlachtfeldern begrüßen. So ging dieser Augenblick vorüber, und wir stiegen in den Bus. Ich hätte mich gern zu ihnen gesetzt, aber das durfte nicht
sein, und so mußte ich von der Rückbank aus zusehen, wie sie vorne plapperten und kicherten. Doch als ich ausstieg, das muß ich ihnen zugute halten, auch wenn ich es eigentlich mir zugute halte: Sie alle winkten, und eine hob sogar die Faust.
Zu dieser Zeit fiel mir auf, daß es einige Neuankömmlinge gab. Dazu gehörte auch ein dunkel gewandetes Paar, das jeden Morgen pünktlich um acht mit Aktentaschen unter dem Arm in einen Volvo stieg. Die eine Hälfte biß für gewöhnlich in die Reste eines Toasts, während die andere mit dem Handy telefonierte. Mir schräg gegenüber war ein Mann, der irgendwie unecht, inkognito wirkte und der zu merkwürdigen Stunden und mit hastigen Schritten kam und ging. Er hinkte leicht und schien immer in die andere Richtung zu schauen, so daß ich sein Gesicht noch nicht gesehen hatte ... Seine Hose hat Umschläge und ist eine gute Handbreit zu kurz. Das sind die Sachen, die einem auffallen, wenn man das Gesicht nicht sieht.
Neben der Schwester der Immobilienmaklerin wohnt ein Elektriker mit Frau, Baby und einem kleinen, brandneuen, weißen Transporter. Als er sah, daß ich in seine Richtung schaute, kam er eilig herüber und gab mir seine Karte. Sie war frisch gedruckt. Wie jung er aussah, gerade mal zwanzig. Als würde er sein Leben eben erst anfangen. Ein paar Häuser weiter unten lebt noch ein Paar, das bei seinem Einzug am Fenster stand und sich entsetzlich stritt, so als müßte einer der beiden gleich wieder ausziehen, und sie müßten jetzt entscheiden, wer. Vielleicht ging es aber auch nur darum, wo was hinkam ... Wie auch immer, am nächsten Tag sah ich sie die Fenster putzen und draußen aufräumen. Sie sangen und berührten und küßten sich
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