Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
von beiden in mir. Und jetzt stehe ich in der Mitte zwischen Mrs. Felix und einer Studentin der Medienwissenschaften. Jedem das Seine. Über jeden Verdacht erhaben. Weder Fisch noch Fleisch. Aus irgendeinem Grund vermittelt mir dies das Gefühl, auf ganzer Linie unterlegen zu sein — daß ich nicht in Oxford gewesen war, es aber behauptet hatte, hatte natürlich einen nicht unwesentlichen Anteil daran. Wie ich mir gedacht hatte: Mehr zu wissen oder weniger, besser zu sein oder schlechter als andere Leute, das dreht sich im Kreis, da kann es keine Gewißheit geben. Am besten, man ist sich bei gar nichts gewiß. Was typisch sein könnte für einige der moralisch Überlegenen und auch für die mit überlegenem Wissen, wenn man es sich recht überlegt.
Als ich gestern Mrs. Felix traf, begegnete sie mir mit sehr viel mehr Respekt und fragte, wie es uns denn gehe an diesem heiteren, zuversichtlichen Morgen. Nachdem ich gemurmelt hatte, ihr gehe es ja alles in allem wohl recht gut, aber wie es mir gehe?, lud sie mich für den nächsten Abend auf ein Glas Sherry ein. Ich war zu einem gebildeten Mann, zu einem von ihnen geworden. Mir rutschte das Herz in die Hose. Eine Freundschaft drohte, und ich fühlte mich unvermittelt sehr unfreundlich. Ich sagte natürlich zu.
Ihr Haus war genauso eingerichtet, wie ich es erwartet hatte, auch wenn ich noch nie im Haus eines Oxford-Absolventen gewesen war, auch hier wieder mit der möglichen Ausnahme Jenners.
Mr. Felix begrüßte mich mit so etwas Ähnlichem wie einer halben Umarmung und sagte: »Willkommen in unserer bescheidenen Hütte.«
Das habe ich mir nicht ausgedacht. Die Leute sagen so etwas wirklich, sogar Absolventen des Oriel College in Oxford. Mrs. Felix stand vor dem offenen Kamin, als wollte sie mich einladen, mir mal so richtig gut anzusehen, was ein zivilisiertes Leben ist. Was ich auch tat. Bücher vom Boden bis zur Decke an drei Wänden. Reichverzierte, fadenscheinige Teppiche aus irgendeiner gebirgigen Stammesregion des Mittleren oder Fernen Ostens. Mehr Schallplatten als CDs, aber von beiden eine ganze Menge. Bilder oder Reproduktionen derselben mit folgenden Sujets: ein frontaler, aber gesichtsloser weiblicher Akt, ein Topf mit Blumen, zwischen denen Gesichter hervorlugten, und eine Sammlung gefährlich aufeinandergestapelter, intensiv farbiger Schachteln. Keine Mona Lisa, über die ich einen dummen Kommentar hätte abgeben können. Auch keine Frau, die mich deswegen zusammengestaucht hätte. Ich lächelte über das Bild mit den Schachteln, ließ den Blick über die Bücherregale wandern. Es gab auch eine ganze Reihe von Zierstücken, Figurinen, Vasen usw., die zweifellos alle eine Geschichte zu erzählen hatten, von denen einige mit ihrem jetzigen Wert im Vergleich zum Anschaffungspreis zu tun hatten. Das Sofa und die Sessel, früher vielleicht golden, jetzt von einem ungewaschenen Gelb, waren übersät mit schlammfarben gemusterten Kissen, die zu den Teppichen paßten, wenn auch nicht ganz — vielleicht stammten sie aus einer benachbarten Bergregion. Ich nahm von Mr. Felix ein Glas Sherry entgegen, mit der Bemerkung, mir sei süß sowieso lieber, wobei ich beinahe hinzugefügt hätte, daß es genau das sei, was mein Tutor mir im Haus immer angeboten hatte.
Das Verhör begann, und zwar ziemlich unbarmherzig. Fernsehsendungen und Filme und in Oxford spielende Krimis hatten mir eine ziemlich gute Vorstellung davon vermittelt, wie das Leben dort aussah. Ich erfand einen Tutor, den ich »den lieben alten Spencer-Mallett« nannte und der vorwiegend über die Kreuzzüge gearbeitet hatte. Ich hatte Kricket im zweiten Team des Colleges gespielt. Ich hatte nur einen guten Abschluß zweiten Grades erhalten, weil man doch damals soviel feierte und mit der Theatergruppe herumhing und durch die Pubs zog. Und natürlich die
Kahnfahrten auf dem Fluß. Als ich dann gefragt wurde, welche Schule ich besucht hatte, sagte ich die Wahrheit, denn ich wollte nicht auch noch Details aus meiner Zeit in Eton oder Harrow erfinden müssen. Außerdem ließ sich mein Akzent nicht auf Eliteschule umstellen. Ich hatte es nur ein einziges Mal versucht, bei einem Treffen mit einem Handelsbanker, der danach meinte, es sei sehr freundlich von mir gewesen, überhaupt zu kommen, da ich doch offensichtlich kurz zuvor beim Zahnarzt gewesen sei.
»Ein typischer Stipendiat eben«, fügte ich hinzu und faßte Mr. Felix fest ins Auge, damit mir auch nicht die kleinste Spur von Snobismus entging.
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