Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Church College heißen sollte. Die Felix hätten mich damit überführen können. Als ich diese Notizen niederschrieb, schrieb ich es in einem Wort, weil ich es nicht besser wußte, und dadurch dürften sich einige von Ihnen ziemlich überlegen vorgekommen sein.
KAPITEL SECHS
L etzte Woche sagte mir mein Arzt, mit einem Blick auf meine Wampe, daß ich in ziemlich guter Verfassung sei — den Umständen entsprechend. Ich überlegte mir die Frage: Welchen Umständen entsprechend? Aber ich wußte die Antwort: Alter usw. Er hätte das nicht hinzuzufügen brauchen. Er hätte mehr Rücksicht auf mich nehmen sollen. Als ich aufstand, um zu gehen, wandte er sich seinem Monitor zu und murmelte dabei: »Dann waren Sie also früher mal Friseur?«
Ich zögerte kurz, was mir die Zeit gab, mich zu fragen, woher er denn das hatte. Hatte ich, während er mir den Blutdruck maß, seine Koteletten geringschätzig angestarrt oder vielleicht die Schuppen auf seiner Schulter? Ich schaute mir jetzt seinen Kopf genauer an und hätte beinahe gesagt, ich würde mal nach der Sprechstunde mit meiner Schere vorbeikommen und ihm dabei gleich auch noch den Kopf waschen.
»Wie haben Sie denn das erraten? Aber eher der altmodische Typ, Kurzhaarschnitte und rasierte Nacken, nicht wie diese Stylisten heutzutage. Hatte meinen eigenen Salon.«
Er schaute mich etwas verwirrt an, und erst jetzt merkte ich, daß er von mir die Bestätigung wollte, ich sei Professor gewesen. Nur daß er, um seiner eigenen Bildung Ausdruck zu geben, die französische Aussprache benutzt hatte: professeur. Es würde mir nichts bringen, ihn zu korrigieren, wenn ich mehr Rücksichtnahme von ihm wollte. Wichtig war auch, daß er glaubte, ich sei noch immer aktiv, daß noch mehr Bücher, Vorlesungen usw in Vorbereitung waren. Soweit er wußte, hätte ich ja auch Forschung im Bereich allgemeinmedizinischer Praxis betreiben können. Und in akademischen
Zirkeln und Zeitschriftenartikeln wäre er wohl lieber bekannt als »mein Hausarzt, dem ich vertraue« denn als »mein verdammter Doktor«.
Als ich die Tür öffnete, versuchte ich deshalb, so gut es irgendwie ging, eine Überleitung zu finden: »Versuche noch immer, das alte Hirn fit zu halten, keine gestelzte Sprache, hier ein bißchen schnippeln, da ein bißchen schnippeln, beim Wesentlichen bleiben, ein Kreis ähnlich gesinnter Kollegen ...«
Sein Mund stand noch immer offen, als ich die Tür mit einem sehr leisen Klicken schloß. Auf dem Nachhauseweg brauchte ich nicht lange, um herauszufinden, woher er seine Informationen hatte.
Ich sehe Emily Hirst ziemlich häufig. Tags darauf kann ich mich kaum noch erinnern, was sie gesagt hat, deshalb weiß ich nicht, wie oft sie sich wiederholt, abgesehen von ihren Katzen, von denen immer eine in der Zeit zwischen unseren Begegnungen die Grenzen gewöhnlichen animalischen Verhaltens überschritten zu haben scheint — der Neid der Menschen, die sich von einem Tag zum anderen kaum verändern.
Zu den Leuten, für die sie putzt, gehört auch Mrs. Felix. Als ich ihr am Tag, bevor ich zum Arzt ging, ihren roten Kater zurückbrachte, sagte sie zu mir: »Mrs. F. sagt, Sie sind ein sehr gebildeter Mann. Sind Sie das wirklich? Ich habe ihr gesagt, daß Sie absolut keine Allüren haben. Und daß ich Sie oft mit Büchern sehe. Sie sagte, daß Sie weit oben in der Oxford University waren. Sie wollte wissen, ob ich auch bei Ihnen putze. Als ich nein sagte, war sie richtig enttäuscht.«
An diesem Punkt kam Phil Badgecock vorbei, und diesmal blieb er sogar stehen. Ich hatte den Eindruck gewonnen, daß er den Schritt beschleunigt, wenn er Mrs. Hirst sieht. Er bleibt auch nicht stehen, um mit mir ein wenig zu plaudern, wohl weil er glaubt, daß es in seinem Leben oder seinen Gedanken wenig gibt, was meiner Aufmerksamkeit wert wäre. Falls er vorhatte, etwas zu sagen, hatte er es in dem Augenblick, da er stehenblieb, schon wieder vergessen. Mrs. Hirst kam gleich zur Sache.
»Sie sollten ihm schon ein bißchen mehr Respekt erweisen, Mr.
Badgecock. Er war Professor an der Oxford University. Hat sein Licht unter den Scheffel gestellt.«
Mr. Badgecock war höchst bestürzt über diese Eröffnung, so daß ich mit Zwinkern und Grinsen das Verhalten eines Menschen annahm, der wenig Respekt von irgend jemandem verdiente. Der Unterschied zwischen oben in Oxford und dort weit oben zu sein war für Mrs. Hirst ein feinerer, als er es für andere sein könnte. Mr. Badgecock ist jemand, der unfähig ist,
Weitere Kostenlose Bücher