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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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ihn, und ich erwiderte,
mein Arzt meine, es tue mir nur gut, ab und zu ein wenig außer Atem zu kommen. Das Barmädchen kam mit seinem Whisky und einer Flasche Sodawasser. Es war mindestens ein Doppelter. Er schaute an ihr hoch und berührte ihr Handgelenk. »Danke, Darling.«
    Kaum hatte sie sich umgedreht, blies er wieder die Lippen auf und murmelte: »Mein Gott!«
    Erst jetzt fiel mir wieder ein, daß ich ihn auf der Promenade gesehen hatte, wie er einen Rollstuhl schob. Vielleicht war es gar nicht er gewesen. Er bewahrte mich vor der Überlegung, ob ich ihn je fragen würde.
    »Sie haben mich doch vor einer Weile meine Frau schieben sehen, nicht?« Ich nickte. »Wie taktvoll von Ihnen. Dachte mir, daß Sie es waren, wie Sie da in die andere Richtung davongerannt sind.«
    »Ich wollte nicht ...«
    »Ist schon okay. Aber jetzt dieses Barmädchen. Früher war es meine Frau, zu der ich das sagte. Gott mußte damals ziemlich gut drauf gewesen sein. Sie war wunderschön, mindestens genauso wunderschön wie sie.« Er nickte in die Richtung des Barmädchens. »Konnte mein Glück nicht fassen. Ich will Ihnen mal was sagen. In so eine Kirsche beißt man nur ein einziges Mal.«
    »Was ist passiert?«
    »Dachte schon, Sie fragen nie. Ein Schlaganfall für den Anfang, oder eher nicht ...«
    Er leerte sein Glas und bestellte sich ein weiteres. Mir wäre es lieber gewesen, er wäre nicht so angetrunken, vielleicht bereute er das Geständnis, zu dem er jetzt ansetzte, ja später.
    »Tut mir leid.«
    »Nicht halb so sehr wie mir. Wissen Sie, es ist doch so, man schaut sich so ein Mädchen an und denkt zwei Sachen: So war es früher mal, mit so einem Mädchen, Hände, die sich auf einem von Kerzen beleuchteten Tisch finden, ewige Liebe, Geigen und das alles. Man kann sich gar nichts anderes vorstellen. Man will sie sich einfach nur gut anschauen, alles, was dran ist an ihr, und dann, und dann, verdammt ...«
    Ich zündete mir einen Stumpen an und bestellte einen zweiten
Drink. »Was war das andere? Sich wünschen, daß man jünger wäre, bitten könnte ... eine Chance, daß sie wieder ...«
    »O Mann, nicht das, Sie alter Rammler. Nein. Das andere ist, wie sie eines Tages enden wird, so was in der Richtung. Fix und fertig. Ein Wrack. Auf die eine oder die andere Art. Die Abteilung für schmutzige Tricks da oben scharrt schon mit den Hufen ...«
    Wir warteten schweigend auf meinen Drink. Als das Barmädchen kam, meinte ich in ihren Augen eine Vorahnung dessen zu sehen, was er meinte: ein Flackern des Grauens, ein vergebliches Beschwören der Hoffnung. Ihr Arm berührte meine Schulter, als sie sich über den niedrigen Tisch beugte, um mein Glas abzustellen, und in ihrer losen Bluse baumelten die Brüste.
    Als sie gegangen war, sagte ich: »Ziemlich traurige Sache ...«
    »Wollen Sie irgendwann mal vorbeikommen? Es sich selber anschauen ...«
    Jetzt merkte ich erst, wie betrunken er war. Er lallte, und es klang fast so, als würde er mit sich selber reden.
    Es gab nur eine Antwort, die ich ihm geben konnte. »Sehr gern. Danke.«
    Er würde es sowieso bald wieder vergessen haben. Jetzt schaute er aufs Meer hinaus. Die Sonne war hinter einer schwarzen Wolkenbank noch nicht ganz untergegangen. Es war windstill, und das Wasser glänzte wie runzeliges Eis. Ein Mann und eine Frau liefen am Strand entlang, ziemlich dicht an der steigenden Flut. Ein Junge warf Stöckchen für einen schwarzen Hund. Ein halbes Dutzend Paare gingen schnell die Promenade entlang, um noch vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause zu sein. Mein Gesprächspartner war verstummt, deshalb zählte ich sie, und zählte sie dann noch einmal, als ein siebtes Paar auftauchte, viel weniger in Eile, älter vielleicht.
    »Ich muß dann mal los«, sagte ich.
    »Man bleibt in Kontakt«, erwiderte er. »Hab noch eine halbe Stunde. Verdammtes Paradies.«
    Ich verließ ihn. Auf dem Weg nach draußen grinste ich dem Barmädchen zu. Sie war von einer siechen, alten Schachtel so weit entfernt, wie es nur ging. Sie schenkte mir ihr schönstes Lächeln
— die Lippen geöffnet, die Zähne funkelnd, dazwischen die Zungenspitze. Na gut, man sieht so was unzählige Male, aber eine Sekunde lang ist es immer einzigartig, nur für einen selber ...
     
    Ich nahm an, daß damit die Sache ausgestanden wäre. Nicht gerade das aufrüttelndste Gespräch mit einem relativ Fremden in einem Hotel am Meer. Der Marsch den Hügel hoch brachte mich außer Atem, und ich zerbrach mir den Kopf über

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