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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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nächstes? Vielleicht kriegen wir ja eine Frau.«
    »Der Vikar als Vorbild ...«, sagte ich mit einem unnötigen Grinsen.
    Ich wandte mich zum Gehen und streichelte noch kurz die Katze, die daraufhin zu schnurren aufhörte. Auf der anderen Straßenseite ging eben der Mann mit der zu kurzen Hose vorbei. Sie wirkte noch kürzer als bei früheren Gelegenheiten. Er war in Eile. Mrs. Hirst warf mir einen ihrer wissenden Blicke zu.
    »Ich möcht’s nicht beschwören, aber der hat gesessen, wenn Sie mich fragen.«
    »Wie kommen Sie da drauf?«
    »Da kam mal dieser Mann zu Besuch. Würde mich nicht überraschen, wenn es sein Bewährungshelfer wäre. Sah irgendwie auch typisch aus. So verschlagen.«

    »Sollten wir ihm nicht die Rechtswohltat des Zweifels, ich meine ...«
    »Ich verteile keine Wohltaten. Das ist die Aufgabe der Regierung.« Sie lachte plötzlich und hörte noch plötzlicher auf. »Wenn er im Bau war, dann würde ich schon gern wissen, weswegen. Sie nicht auch?«
    »Glaube schon.«
    »Na also. Falls er ein Mörder ist, möchte man das schon gern wissen. Oder einer von diesen Triebtätern.«
    »Vielleicht würde ich es doch nicht wissen wollen. Falls er harmlos ist.«
    »Ich schon. Man weiß nicht, ob jemand harmlos ist, bis er es plötzlich nicht mehr ist.«
    »Das beste ist, man läßt ihn in Ruhe. Wenn er seine Schuld gebüßt hat, sollte man das anerkennen. Leben und leben lassen.«
    Ich erinnerte mich an Webb, das Geräusch der Bratpfanne, die gegen seinen Kopf krachte, wie er sich zusammengekrümmt und seinen Kopf bedeckt hatte. Zum ersten Mal war Feuer in Mrs. Webbs Augen gewesen und auch Haß, und ihre Stimme war voller überwältigender Autorität. Damals hatte ich nicht gedacht, daß man Webb für seine Schuld in Ruhe zahlen lassen sollte.
    »Aber wird er uns in Ruhe lassen, darum geht’s doch, Professor? Denken Sie an die Kinder.«
    Ich war bereits ein paar Schritte entfernt, deshalb mußte ich meine Stimme erheben, um zu sagen: »Sie halten mich auf dem laufenden, Mrs. Hirst. Ich hoffe, die Sache mit Ihrem Vikar klärt sich bald.«
    Sie lachte wieder, und die Katze sprang ihr vom Arm. »Man kann sich’s eigentlich gar nicht vorstellen, das ist es ja. Er und die Frau des Organisten. Wie Laurel und Hardy.«
    Ihr Lachen wurde höhnisch ... Indem sie sich eine groteske Kopulation vorstellte, hatte sie ihren Triebtäter ganz vergessen. Mir fiel wieder ein, daß ich ihr gleich bei unserer ersten Begegnung erzählt hatte, ich hätte zwei Kinder. »Zwei? Wirklich?« hatte sie fröhlich gefragt, als wäre da ein ganz ungeheuerliches Wunder gleich zweimal passiert. Es ist wohl ganz gut so, daß unsere Phantasie
nicht ganz so aktiv (fruchtbar?) ist, wie sie sein könnte. Ansonsten wäre sie dauernd mit dergleichen beschäftigt, und wir würden merken, daß wir uns das Leben anderer Leute immer detaillierter vorstellen. So wie es ist, machen wir uns kaum die Mühe, es uns überhaupt vorzustellen. Es ist uns ziemlich schnuppe. So bleibt uns die unbarmherzige Bilderflut, wie Leute es miteinander treiben, erspart. Oder auch, wie sie scheißen. Erspart bleibt uns aber auch, daß wir uns so um die Leute kümmern, wie wir es vielleicht tun würden, wenn die Phantasie weniger sparsam wäre. »Leck mich am Arsch«, denken wir, doch keiner stellt sich dabei vor, wie es wäre, wenn der Adressat es wirklich tun würde.
     
    Das schrieb ich zu der Zeit, während die Gedanken an die Frau aus Nummer 27 bereits wieder verblaßten. Und auch an den Knastbruder. Es war, wie gesagt, eine Zeit, in der nicht viel los war. Ich winkte den Felix trottelig zu, und sie winkten respektvoll zurück. Nach üblichen Gepflogenheiten schuldete ich ihnen noch eine Einladung. Vorausgesetzt, sie waren mir sympathisch genug. Sollten sie in der Hinsicht lieber unsicher bleiben. Sie wußten jetzt schon eine ganze Zeit, daß ich zum Professor geworden war. Mrs. Hirst hielt sie sicher beständig über mich auf dem laufenden. Wenn sie es nicht glaubten, konnten sie ja Nachforschungen anstellen und dann Mrs. Hirst sagen, daß ich nicht war, was ich zu sein vorgab. Die Entzauberung würde dann sehr schnell vonstatten gehen. Ich würde in meine Unterhaltungen mit Mrs. Hirst ein oder zwei Geschichten einfließen lassen müssen über meine Zeit in Kanada, nachdem ich mir den Namen irgendeiner kleinen Universität in, sagen wir mal, Nova Scotia herausgesucht hatte, in der ich den Großteil meiner professoralen Karriere verbracht hatte. Irgendein

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