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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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hierherzukommen?« fragte ich. »Es gibt ein Freudenfeuer.«
    »Wahrscheinlich sollte ich ein bißchen loslassen, aber ich habe damit noch nicht einmal angefangen. An Jahrestagen will ich mit ihr allein sein. Ich rede mit ihr, als würde sie zuhören. Ich kann hören, was sie sagen würde. Klingt wahrscheinlich ein bißchen abartig. Krank.«
    »Wie das Gegenteil auch aussehen mag, genau so klingt es.«
    »Ja.« Eine Pause. »Wie geht’s Virginia?«
    »Nicht gut, fürchte ich. Richard ist mal wieder arbeitslos. Sie will das alles allein durchstehen. Keine Zeugen.«
    »Auch Mum nicht.«
    »Nein, Mum nicht.«
    »Ich habe vor ein paar Wochen mit ihr gesprochen. Die Hände legt sie auf jeden Fall nicht in den Schoß. Gemeinnützige Arbeit bis zum Abwinken. Sogar in Somerset gibt’s alleinerziehende Mütter und Obdachlose und Drogensüchtige. Da ein Komitee und dort ein Ausschuß.«
    »Was hat sie über Virginia gesagt?«
    »Dasselbe wie du, Dad. Sie macht sich Sorgen. Ist traurig. Meint, als Kind sei sie so gutherzig gewesen. Erinnerst du dich noch an die Hambles?«
    »Natürlich.«
    »Das hat sie wirklich bestürzt, daß Mrs. Hamble gestorben ist. Die beiden hatten sie ja irgendwie adoptiert, nicht?«
    »Ja. Das ging ihr wirklich sehr nahe. Erinnerst du dich noch an diesen Ausflug in den Park? Wo auch die Webbs dabei waren?«
    »O ja. Ich hatte mich ja ziemlich aufgeführt. Irgendwas mit Kricket und daß Virginia so verdammt gut war.«

    »Hatte also nichts mit Webb zu tun?«
    »Er war natürlich ein gräßlicher, kleiner Mistkerl. Aber zu mir war er recht anständig. Ich erinnere mich, daß er mir vorwiegend leid tat.«
    »Nicht sie? Du hast doch sicher ...«
    »Anscheinend dachte ich, daß es irgendwie ihre Schuld war. Er war so erbärmlich. Beide. Echte Loser, wie es heutzutage heißt. Ich wollte ihn mehr hassen, als ich konnte. Und seitdem, na ja, genug davon. Dieses Gespräch, das wir in diesem furchtbaren Cafe hatten, mit der netten Kellnerin. Damals wurde alles gesagt. Soviel es eben zu sagen gab.«
    »Gesagt werden mußte. Worum geht’s denn jetzt?«
    Er lachte, antwortete aber nicht. Ich erzählte ihm von meinen Erinnerungen an unsere Urlaube am Meer, wie die Erinnerungen sich vervielfachen, aus Glück Kummer wird und wieder Glück — einige der Gedanken, die ich nach meiner Begegnung mit der armen Julia niedergeschrieben hatte. Es war das längste Gespräch, das wir je hatten. Er erzählte mir noch einige Details. Seine Erinnerungen waren ganz ähnlich wie die meinen — an Spaß und Lachen und Friedlichkeit zwischen uns.
    Er erzählte mir auch, daß Jane oft von ihrer Kindheit gesprochen hatte, von den Erinnerungen, die sie unvorbereitet überfielen, vor allem gegen Ende zu. Manchmal überwältigten sie sie einfach. Sie zitierte ein Gedicht von A. E. Housman, das beginnt mit: »In mein Herz ein Wind, der tötet, aus jenem fernen Lande weht.« Es ging um die Erinnerung an das Glück der Kindheit. Ich solle es nachschlagen, meinte er. Das Wichtigste sei aber, wie Jane es erklärt hatte, daß der Wind nicht traurig oder quälend oder freudvoll oder sonst etwas ist. Er tötet. Das habe sie traurig gemacht, sagte Adrian, weil sie doch außer Erinnerungen nichts mehr hatte.
    Wir kehrten also wieder zu Jane zurück. Das Gespräch endete kurz danach. Wir hatten Virginia vergessen. Vielleicht gab es einfach nichts mehr, was man über sie noch hätte sagen können. Wenn es etwas gäbe, das Adrian für sie tun könnte, dann hätte er es bereits getan. Was Virginia nicht gesagt hatte, war, daß Adrians
beruflicher Erfolg Richard nur noch stärker daran erinnerte, was für ein Versager er war. Ihnen Geld zu schicken, und wenn auch nur für die Kinder, stand völlig außer Frage. Ich konnte seine klagende Stimme beinahe sagen hören: »Natürlich ist dein reicher Bruder so erfolgreich. Für einige ist das ja ganz in Ordnung ...« Oder etwas Ähnliches.
    Als ich den Hörer auflegte, betete ich, daß Adrian und Virginia wieder zusammensein könnten und prächtig miteinander auskämen. Wie sie es als Kinder nicht getan hatten, außer im Urlaub. Dann wäre die Erinnerung an die Unschuld verwirklicht, oder zumindest ein Element davon würde bleiben. Aber genug davon. Ich habe das Gedicht noch nicht nachgeschlagen.
     
    Vor ungefähr einer Woche sah ich den Fensterputzer, von dem ich schon einmal erzählt habe. Er stand ziemlich weit oben an der Flanke eines Glasgebäudes auf einer leicht gekippten Plattform. Ich bin mir

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