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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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ziemlich sicher, daß er es war. Wichtig dabei ist, daß ich ihn mir damals genau so vorgestellt hatte, nämlich daß er keine Privathäuser mehr machte, nicht länger selbständig arbeitete, sondern für irgendeine Riesenfirma, die alle Bürofenster in Südengland putzte. Nur noch eine Nummer in einem Angestelltenverzeichnis. Wenn ihm jetzt etwas passieren sollte, würde ich es nie erfahren. Vielleicht kommt genau daher unsere Gleichgültigkeit. Nicht nur daher, daß wir nichts dagegen machen können. Sondern auch daher, daß wir nicht wissen, was es langfristig für einen Unterschied machen würde, wenn wir es könnten. Dieses Paar, das in die Welt hinausging, bevor es sich niederließ – vorausgesetzt, man konnte den Unterschied ausgleichen zwischen dem, was sie hatten, und dem, was sie brauchten. Natürlich hatten sie ihre Meinungsverschiedenheiten, weil sie oft mehr voneinander brauchten, als sie geben konnten. Sehr bald danach konnte ich mir sagen, daß mir das ziemlich gleichgültig war. Immer nur Vermutungen anstellen und nie etwas sicher wissen. Was für einen Unterschied könnten sie denn für mich machen?
    »Ist derselbe Unterschied«, sagte meine Mutter immer, normalerweise dann, wenn sie über Leute sprach, die mehr hatten, als sie
brauchten. Es war keine Frage der Abstufung. Die Unterschiede, die zählten, fand man bei jenen, die weniger hatten, als sie brauchten. Sie hatte nie etwas dagegen, wenn mein Vater Leuten Kredit gab, die gerade knapp bei Kasse waren, und manchmal sagte sie ihm, eine Schuld sollte abgeschrieben werden, und der Schuldner, normalerweise eine alleinerziehende Frau mit mehreren Kindern, sollte die Chance für einen Neuanfang erhalten. Das würde in deren Leben einen großen Unterschied machen, den größten überhaupt. Mein Vater schien immer sehr dankbar für ihre Zustimmung in diesem Bereich zu sein, da sie in anderen eher selten war. Was ich an Großzügigkeit in mir habe, das habe ich wahrscheinlich von ihnen gelernt.
    Als ich den Schlüssel in meiner Tür drehte, dachte ich wieder an meinen Vater. Er lag im Krankenhaus und hatte noch ungefähr zwei Wochen zu leben. Ich glaube nicht, daß ich versucht habe, das schon einmal zu erzählen. Wir redeten kaum etwas. Er hatte meistens die Augen geschlossen, und wenn er sie öffnete, schienen sie in den meinen nach Antworten zu suchen. Weil ich dachte, er sei eingeschlafen, stand ich auf und wollte gehen, aber er faßte mit noch immer geschlossenen Augen nach meiner Hand und murmelte, er hoffe, ich würde etwas aus meinem Leben machen, auch wenn er mir in der Hinsicht nicht gerade ein Vorbild gewesen sei. Ich schüttelte den Kopf und sagte ihm, bessere Eltern hätte ich mir nicht wünschen können. Er öffnete die Augen. Es war ihre Idee, dich Thomas zu nennen, flüsterte er, und sie meinte, sie wolle nicht, daß du auf irgendeinen Unsinn hereinfällst, und es gebe ja verdammt wenig auf dieser Welt, was keiner sei. »Das bezweifle ich nicht eine Sekunde lang«, sagte ich und begriff jetzt zum ersten Mal, warum nur sie mich nie Tom nannte. Er schloß die Augen und fing an, tief zu atmen. Ich meinte ein leichtes Nicken und ein Lächeln zu sehen. Nach so vielen Jahren sehe ich das alles jetzt sehr deutlich vor mir. Ich weiß nicht, warum ich es bis zu diesem Augenblick — das Umdrehen des Schlüssels in meiner Haustür — vergessen hatte. Nur wenige Dinge sollten einprägsamer sein, als wie man zu seinem Namen gekommen ist. Habe ich seitdem unbewußt versucht, meinem Namen Ehre zu
machen oder vielleicht Schande? Beides bezweifle ich stark. Nein, ich glaube, ich wollte vergessen, daß mein Vater glaubte, er sei mir ein schlechtes Vorbild gewesen, daß er nicht glaubte, ich hätte mir keine besseren Eltern wünschen können — daß es nur etwas sei, das ich dachte, sagen zu müssen. Hatte ich es nicht geschafft, ihm am Ende Trost oder Bestätigung zu vermitteln, wie er es in jeder Hinsicht ebenso wie jeder andere verdient hatte? Über meine Mutter denke ich nicht so. Sie brauchte weder Bestätigung noch Trost. Irgendwann geht jedes Leben zu Ende. Sie hatte mehr Glück gehabt als viele andere. Unnötig zurückzublicken. Unsinnig, ein großes Aufheben zu machen. Das war das einzige, woran ich auf keinen Fall zweifeln sollte ...
     
    Vor ungefähr drei Wochen sah ich Phil Badgecock wieder. Ich reparierte eines Nachmittags mein Gartentor, als er vorbeikam. Obwohl er nicht aussah, als würde er seine Schritte verlangsamen, war irgendeine

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