Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Türschwelle stehen. Als ich mich zu ihnen umdrehte, starrten sie mir nach — bis auf Mr. Felix, der offensichtlich noch immer mit Schlüssel und Schloß kämpfte. Ziemlich klar, worüber sie beim Schampus reden würden. Ripple? Was soll denn das für ein Name sein? Komischer Vogel. Professor? Wußte ein bißchen was über Teppiche. Na ja, auch über Kanada. Alles nicht so ganz koscher, wenn ihr mich fragt ... und so weiter, bis Mrs. Warmington vermutlich gähnte und ihrem Mann zuflüsterte: »Wen interessiert denn das eigentlich?«
Oder nichts dergleichen. Ich habe eben bereits bemerkt, daß die Leute im allgemeinen viel weniger über einen nachdenken/reden, als wir glauben. Falls es so wäre und wir uns noch viel mehr, als wir es bereits tun, den Kopf zerbrächen darüber, was sie über uns denken/reden, würde uns das dann nicht ebensoviel, soll heißen wirklich sehr viel netter machen, weil wir doch wollen, daß man gut über uns denkt/redet, da wir die primäre Quelle sozialer Tugend sind? Und je mehr wir das wollten, um wieviel tugendhafter würden wir da alle werden? Außer daß keine große Tugend darin liegen kann zu glauben, daß die Leute mehr über einen nachdenken /reden, als sie es tatsächlich tun, da man dann weniger Zeit und Engagement anderen Dingen widmen kann, wie zum Beispiel dem Bemühen, tugendhafter zu werden — während man zugleich versuchen sollte, es nicht weniger zu werden, je weniger wir glauben, daß die Leute über uns nachdenken/reden. Die Sache dreht sich also, wie so oft, im Kreis. Einen Teufelskreis nennt man das manchmal. Aber wenigstens denkt man darüber nach, und darin muß eine gewisse Tugend liegen, egal, was andere darüber denken oder reden.
Adrian, Virginia und meine ehemalige Frau riefen mich am nächsten Tag an. Ich vermutete, daß Adrian das neue Jahr nicht gefeiert hatte, und wir redeten auch nicht darüber, da ja das Wort »glücklich« vermieden werden mußte. Er sagte mir, daß seine Firma ihn nach New York schicke, damit er dort für eine Weile die Filiale leite. Es war eine sehr große Firma. Ich habe keine Ahnung, wie reich er tatsächlich ist. Er hatte mit Virginia gesprochen und
sagte mir jetzt noch einmal, wie sehr es ihn belaste, daß er ihr kein Geld geben könne. Er habe es nur kurz angedeutet, aber Virginia habe ziemlich scharf erwidert, daß sie mit Richards neuem Job jetzt sehr gut über die Runden kämen. »Ich könnte ihre Hypothek abbezahlen, egal, wie hoch die noch ist, und sie würden es nicht einmal merken.« Wir verabredeten, daß wir uns nach seiner Rückkehr etwas überlegen würden — daß er mir das Geld gibt und ich es dann als »Vorschuß auf ihr Erbe« an sie weitergebe ... das schon wieder. Ich sagte Adrian, daß ich ihn vermissen werde. Er sagte, er werde regelmäßig anrufen, und ich sagte ihm, wenn er auch nur den Hauch eines amerikanischen Akzents angenommen habe, würde ich den Hörer auflegen. Natürlich habe ich absolut nichts gegen einen amerikanischen oder sonst irgendeinen Akzent, aber das ist die Art von Witz, die man eben macht, wenn man sich elend fühlt. Es war typisch für Adrian, daß er sich Sorgen um Virginia machte. Es wäre auch typisch für Jane gewesen.
Virginia war zur Abwechslung mal fröhlich. Sie meinte, sie spüre es in den Knochen, daß Richards neuer Job perfekt zu ihm passe und daß er wirklich etwas draus machen werde. »Er kichert noch immer über Prinz Charles und über die Auftragsvergabe an Pflanzen«, sagte sie. Das machte mich nicht gerade heiterer. Ich erwähnte Adrian und New York, doch sie reagierte nicht darauf. Ich fragte mich, ob ihre Liebe für ihn von seinem Erfolg beeinträchtigt wurde, wie sehr, um genauer zu sein — denn mit Sicherheit ließ sich Richard ziemlich häufig darüber aus. Doch das würde ich nie erfahren. Wußte ich überhaupt, wie sehr sie einander je gemocht hatten? Als Kinder hatten sie ununterbrochen gestritten, waren einander auf die Zehen getreten usw. Nicht mehr, als in der unerfreulichen Natur der Sache begründet liegt: Eifersucht und dergleichen.
Diese Frage ging mir noch durch den Kopf, als meine Frau anrief. Auch bei ihr vermied ich das Wort »glücklich«. Wegen Brad. Aber sie sagte fast sofort: »Brad und ich haben um den Silvesterabend ja immer ein ziemliches Aufheben gemacht. Das neue Jahr begrüßen. Gute Vorsätze. Singen. Paßte eigentlich gar nicht zu ihm. Solche Feiern. Er haßte Partys, aber Silvester war anders.
Also bin ich einfach allein
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