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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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identische Kittel mit Blumenmuster. Neben dem Eingang saß eine andere Frau über ein Kindermalbuch gebeugt, das sie, die Kreide in beiden Händen, mit großer Konzentration ausmalte. Sie schaute nicht hoch. Auf der anderen Seite des Raums hatte man drei Sessel um einen niedrigen Tisch arrangiert, und auf diese Sitzgruppe deutete die Nonne jetzt mit äußerster Freundlichkeit und unverändertem Lächeln. Wir wurden erwartet.
    »Ich sage Julia, daß Sie hier sind, und bringe Ihnen Tee. Wenn es Ihnen recht ist?«
    Die Stille war so, daß wir beide nur nickten. Wir saßen sehr lange dort, wie es mir vorkam, und starrten beide zum selben Fenster auf die vorüberziehenden Wolken hinaus. Eine der Frauen kam zu uns und bot uns mit einem kleinen Knicks ihre Hand an. Der Mund hing ihr offen, und sie wollte etwas sagen, aber ihre Zunge gehorchte ihr nicht. Man sah sie arbeiten, als hätte sie ein Eigenleben. Aus irgendeiner fernen Vergangenheit, tief drinnen wußte die Frau, daß sie Fremde begrüßen mußte. In der Leere ihrer Augen leuchtete plötzlich etwas auf, was eine Entschuldigung hätte sein können. Für das, was sie war. Wären ihre Lippen von einem Wunder berührt worden, wäre »Entschuldigung« das erste
Wort gewesen, das sie gesagt hätte. Oder »Danke«. Sie versuchte, noch mehr zu sagen, aber ihre Zunge wurde noch schwerfälliger und füllte schlabberig ihren Mund, so daß ihr ein Speichelfaden aufs Kinn tropfte. Sie knickste noch einmal und kehrte zu ihrem Sessel zurück. Die andere Frau stand auf, knickste ebenfalls, setzte sich wieder, klatschte in die Hände und gab ein wimmerndes Geräusch von sich. Einer von uns mußte etwas sagen.
    »Wie absurd«, sagte Julias Mutter. »Sie wissen nicht einmal, wie ich heiße. Susan Wetherell.«
    Sie streckte die Hand aus, und ich nahm sie. »Tom Ripple.«
    Wieder warteten wir. Wie sehr ich mir wünschte, sie würde mir mehr über Julia erzählen. Vielleicht dachte sie, sie hätte mir schon genug erzählt an dem Tag, als ich sie vom Strand zurückbrachte, und den Rest könnte ich jetzt selber sehen. Schließlich kam sie, gefolgt von der Nonne mit einem Tablett voller Teegeschirr.
    Ihre Mutter küßte sie und stellte mich vor. Vielleicht gab es ein kurzes Aufflackern des Wiedererkennens, so flüchtig wie der Blick, den sie mir zuwarf. Ihre schwarzen Haare glänzten, offensichtlich frisch gewaschen und gebürstet. Sie waren ein wenig kürzer, der Pony endete ein Stückchen weiter oben auf der Stirn. Sie war sehr unauffällig geschminkt, gerade so, daß es ihre natürliche Blässe überdeckte. Vielleicht hatte die Nonne ihr dabei geholfen, und sie hatten deshalb so lange gebraucht. Ihr Kleid war dunkelbraun mit langen Ärmeln und einem hohen, weißen Rüschenkragen. Als sie sich setzte, kam eine Verschwommenheit in ihre Augen, als hätte man sie eben erst geweckt. Ich hatte recht gehabt, meergrün wie die ihrer Mutter, aber ohne Ausdruck darin — ein unerforschtes Meer. Die Nonne hatte eine Hand auf ihrem Rücken, und ihr Lächeln war noch immer unverändert. Ich konnte mir vorstellen, wie sie sagte: »Nimm einfach diese kleine Pille, meine Liebe.«
    Julia hielt sich sehr aufrecht, wie in Bereitschaft, dann schaute sie plötzlich von ihren Händen hoch und starrte sehr lebhaft zum Fenster hinaus. Ein Lächeln machte sich breit, bis ihre Mutter sagte: »Ich nehme an, du erinnerst dich noch an Mr. Ripple, mein Liebling.«
    Sie schaute mich streng an, dann wieder zum Fenster hinaus,
doch jetzt erwartungsvoll und mit einem leichten Stirnrunzeln. Ihre Mutter fragte mich, wie ich meinen Tee wolle, und goß dann ein.
    »Ich lasse Sie jetzt allein«, sagte die Nonne und drückte Julia zum Abschied die Schultern.
    »Hier ist dein Tee, mein Liebling«, sagte ihre Mutter und versuchte ihn ihr zu geben, stellte ihn dann aber einfach auf den Tisch. Sie zuckte die Achseln und wandte sich mir zu. »Ich wohne jetzt bei meiner Schwester ... Ach, du meine Güte, das habe ich Ihnen ja schon erzählt. Sie hat dieses wunderbare Häuschen auf dem Land. Julia liebt es, nicht, mein Liebling?«
    Julia wandte sich langsam vom Fenster ab und starrte ihre Mutter an. »Tante Charlotte«, sagte sie. »Du siehst genauso aus wie meine Mutter.«
    Sie beugte sich vor und berührte das Handgelenk ihrer Tochter. »Nicht foppen, mein Liebling. Du weißt doch sehr gut ...«
    Wieder drehte Julia sich abrupt weg, und wieder zuckte ihre Mutter die Achseln.
    »Ich nehme an, Sie haben schon an vielen

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