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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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geblieben und habe ihn ein bißchen vermißt. Na ja, eigentlich sehr.«
    In ihrer scharfen, nüchternen Stimme schwang eine gewisse Traurigkeit, die ich zuvor noch nicht gehört hatte, und deshalb erzählte ich ihr hastig von dem Freudenfeuer und was für ein Reinfall es gewesen war.
    »Brad sagte immer, es liege eine gewisse unausweichliche Künstlichkeit im herkömmlicherweise Diktierten ... O Gott, du gähnst, Tom, nicht?«
    »Ich tue nichts dergleichen.«
    Sie lachte. »Ach, Tom, ich weiß noch sehr gut, wie du gähnen konntest, ohne irgendwas mit deinem Mund zu machen.«
    Ich wollte nicht erinnert werden, auf jeden Fall nicht daran, aber ganz allgemein auch nicht daran, wie ich damals gewesen war. Also wechselte ich das Thema und sagte, ich hätte eben mit Virginia und Adrian gesprochen. Sie unterbrach mich und meinte, sie ebenfalls, doch das hatte keiner der beiden erwähnt. Ich wollte mit ihr keine Erfahrungen austauschen, nicht jetzt, aber da war noch immer diese unbeantwortete Frage.
    »Wie gern mochten, mögen sich die beiden eigentlich, was meinst du?«
    Sie zögerte so lange, daß ich die Frage beinahe wiederholt hätte.
    »Die Charakteristika, die Unberechenbarkeiten familiärer Zuneigung sind generell schwer zu beschreiben. Es gibt so viele, oft einander widersprechende oder inkompatible Faktoren ...«
    Es entstand noch eine — angemessene — Pause. Ich versuchte es noch einmal: »Was ich meinte, war: Wie sehr lieben sie sich?«
    »Ich weißt, was du meinst, Tom. Nach allem, was sie gemeinsam erlebt haben, lieben sie sich so sehr, wie es für Bruder und Schwester möglich ist.«
    »Wirklich sehr, meinst du?«
    »Natürlich.«
    »Was sie zum Teil gemeinsam erlebt haben, sind wir, nehme ich mal an.«
    »Schon, ja.«

    »Aber das ist doch etwas, oder?«
    »Man könnte auch sagen, das ist alles. Oder alles, was ist oder sein kann oder so was.«
    »Na ja, man kann nicht alles haben, oder? Tut mir leid, wenn ich ...«
    »Es ist nichts«, sagte sie.
    »Alles ist besser als das.«
    Nun lachten wir beide kurz und wünschten einander alles Gute und legten dann auf.
    Und so sah ich mich plötzlich in Übereinstimmung mit Mrs. Tomkins, und mit solch kniffeliger Tiefgründigkeit fing das dritte Millennium an.
     
    Ein paar Monate sind vergangen. Mrs. Hirst ist nicht zurückgekehrt. Einmal habe ich gesehen, wie Mr. Fogarty ins Haus ging, um die Katzen zu füttern. Nach der Häufigkeit ihrer Besuche bei mir zu urteilen, füttert er sie nicht genug. Oder sie rechnen inzwischen mit dem Katzenfutter, das ich ihnen gebe, so daß Mr. Fogarty vielleicht einen falschen Eindruck davon bekommen hat, was genug ist. Inzwischen ist es nicht mehr wichtig, wie oft und wann eine oder mehrere von ihnen in meinem Haus schlafen. Vor einer Woche lagen alle vier auf meinem Bett, als ich aufwachte, so daß ich im ersten Augenblick dachte, ich sei von der Hüfte abwärts gelähmt. Eines Tages muß ich Mr. Fogarty abpassen und ihn fragen, ob er weiß, wann Mrs. Hirst zurückkommt. Er hat seine Heimlichtuerei verloren, und einmal hörte ich ihn sogar pfeifen. Mitte März schickte sie mir eine Postkarte, die eine Surferin beim Salto zeigte: »Lieber Professor. Das bin ich letzte Woche. Was für ein Leben das doch ist. Komme Ostern zurück. Habe Mr. F. mehr Geld für die Katzen geschickt. Hoffe, sie fallen Ihnen nicht zur Last oder sonstwas. Beste Grüße, Emily Hirst. PS: Hoffe, Sie haben mich nicht vergessen.«
     
    Fast schon Mitte April. Wahrscheinlich taucht sie in den nächsten paar Tagen wieder auf. Muß jetzt versuchen, über meinen letzten Besuch bei Julia zu schreiben. Ich hatte ihre Mutter eine ganze
Weile nicht gesehen und war deshalb ziemlich überrascht, als sie plötzlich vor meiner Tür stand. Zuerst verwechselte ich sie beinahe mit ihrer Schwester, da sie sich ziemlich viel Mühe mit ihrem Aussehen gegeben hatte, wenn auch noch weit entfernt von dem, was ihre Schwester darunter verstanden hätte. Ihre Haare waren weniger grau, und sie waren auch kürzer und ordentlich zurückgekämmt. Ihre Gesichtshaut war glatter mit ein wenig Rouge darauf, allerdings eher gesund wirkend als künstlich. Ein wenig blasser Lippenstift. Ziemlich viel blauer Eyeliner um die Augen. Die waren, wie sie immer gewesen waren, obwohl sie lächelte: der Blick eines Menschen, der an Kummer gewöhnt ist, sich ihn jedoch ausreden will. Ihre Augenfarbe war mir zuvor noch gar nicht aufgefallen — ein dunkles Meeresgrün. Julias Augen. Da ich sie so

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