Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
setzte mich aufrecht hin und bewegte den Kopf gegen die Steifheit, die kommt und geht. »Tut mir leid. Ich dachte, ich hätte gesagt ...«
Sie zog eine Schnute, was bei solchen Wesen das genaue Gegenteil einer Schnute ist — Flirten der eher unterwürfigen Art. »Sie haben mich vergessen«, sagte sie.
Ich starrte sie an. Die Haare viel kürzer und blonder. Die Lippen roter. Die Augen strahlender und auch schüchterner wegen des dicker aufgetragenen Eyeliners.
»Natürlich! Simbabwe! Mein Gott, das tut mir wirklich leid!« Ich drehte mich herum, um zu ihrem Gesicht hochzuschauen, wobei mir ihre Brüste (wie schade) im Weg waren. »Bitte verzeihen Sie mir. Natürlich.«
Und so hätte ich weitergeplappert, hätte sie nicht gesagt: »Ich nehme an, Sie haben die Zeitungen verfolgt. Ich bin zurückgegangen zu meinen Leuten.«
»Meine Güte, ja!« Sie konnte nur ihre Familie, nicht die ganze Bevölkerung oder den weißen Teil davon gemeint haben. »Geht
es ihnen gut? Klingt ja ziemlich abscheulich. Daß die Leute von ihren Farmen verjagt werden und noch Schlimmeres.«
Ihre Stirn legte sich in Falten, und sie preßte offensichtlich bekümmert die Lippen zusammen, deshalb fing ich an zu stammeln, während ich versuchte, mich an einen Artikel vom vergangenen Sonntag und an eine TV-Dokumentation vor ungefähr zwei Wochen zu erinnern. »Die Wirtschaft in Scherben ... Arbeitslosigkeit... Jede Menge Korruption ... Mugabe völlig durchgeknallt... Wenigstens gibt es jetzt eine Opposition ... Wahlen ... Wer weiß ...?«
Dann ging mir der Dampf aus. Sie hatte angefangen zu nicken, aber das Stirnrunzeln war geblieben.
»Meine Eltern kannten einen der Farmer. Sie sind beide dort geboren. Sie sind keine Farmer, aber sie kennen viele von ihnen. Bei einem machten wir immer Urlaub, als ich noch klein war. Es war wunderschön. Ich dachte mir, später will ich einmal nichts anderes. Als einen Farmer zu heiraten.«
Ich versuchte, sie mir als kleines Mädchen vorzustellen, lange bevor ein Farmer sie in die Finger bekommen konnte. Sie war wohl ein sehr schönes Kind gewesen.
»Muß ziemlich schmerzvoll für Ihre Eltern sein, wenn sie jetzt ihre Sachen packen und weggehen müssen.«
Sie verschränkte die Hände vor der Brust. So viel dazu, daß mein Blick unverwandt auf ihrem Gesicht ruhte. Das Stirnrunzeln war verschwunden, und die Zähne waren wieder zu sehen.
»O nein!« rief sie. »Sie werden nie weggehen. Und ich gehe zurück, wenn ich meinen Abschluß habe. Es sind wunderbare, gütige, anständige Menschen. Größtenteils.«
Jetzt kann sie doch sicher nicht ihre Eltern meinen, dachte ich. Jetzt meint sie bestimmt die weiße Bevölkerung im ganzen.
»Es muß ziemlich schwer für sie sein«, plapperte ich weiter. »Dieses totale Chaos, das jetzt dort geschaffen wird. Der Zusammenbruch der öffentlichen Dienste. Die Erinnerung an die alten Tage. Und versuchen müssen, mit dem neuen Regime zurechtzukommen.«
Das stammte aus einem Artikel, der beschrieb, wie die Weißen
in der Vergangenheit gelebt hatten, daß sie den Großteil des besten Landes besessen hatten, von dem nun diejenigen, die wenig oder nichts davon hatten, ein Stückchen abhaben wollen. So wie es der Artikel beschrieb, wurde dies alles nicht ständig von ihrer Güte und Anständigkeit überstrahlt. Die Dokumentation hatte denselben Eindruck hinterlassen. Wieder gingen mir die Worte aus, während sie die Hände an die Seiten sinken ließ.
Eine lange Pause entstand. »Ich meinte, alle«, sagte sie. »Na ja, nicht gerade jeden einzelnen, aber Sie wissen schon, was ich meine.«
Ich hörte auf zu nicken. Zum zweiten Mal wußte ich absolut nicht, was sie meinte. Woher sollte ich wissen, daß das, was sie mit dem Wort meinte, sich verändert hatte? Ich hatte ganz einfach nur das Richtige sagen wollen, das Mitfühlende, was ich meinte, daß sie hören wollte, weswegen sie mich mögen würde, wenn ich es sagte: ganz gewöhnliche Feigheit, überhaupt nicht das Richtige. Zu der Zeit erkannte ich nichts von alldem und stotterte einfach weiter.
»Die Stümperei und die Korruption. Der Zusammenbruch von Recht und Ordnung. Schwer für sie, für Ihre Leute, daß sie alles aufgeben und von vorn anfangen müssen.«
Ihr Gesicht war ernst geworden. Sie schaute mich an wie jemanden, bei dem es wirklich sehr schwer ist, höflich zu bleiben.
»Ich schätze, so muß es für den Außenstehenden aussehen. Die Geschichten, die es gegeben hat. Mit allen meinte ich wirklich alle.
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