Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
daß Webb und meine Frau mit einigem Abstand die Vorhut bildeten. Es war schwer zu sagen, wer da mit wem Schritt hielt. Mrs. Webb hatte sich zu Mrs. Hamble und meiner Tochter gesellt, und ich bildete zusammen mit Hamble den Abschluß, wobei mein Sohn, der am Rasenrand einen Tennisball kickte, mehr oder weniger auf gleicher Höhe mit uns ging.
Die drei Einkaufstüten mit den Picknicksachen wurden von den drei Männern getragen. Meine Frau hatte eine Decke über dem Arm. Vor mir griff Mrs. Hamble kurz nach Virginias Hand, schwang sie einmal auf und ab und ließ sie dann wieder los. Ich wollte mir Webb kurz allein vorknöpfen, um ihm zu sagen, er brauche nicht zu denken, ich wisse nicht Bescheid, auch wenn meine Frau nichts wisse, und er solle nur ja aufpassen (auf was?). Doch kaum hatte ich es mir derart konkret überlegt, wollte ich plötzlich nichts mehr dergleichen tun.
Adrians Tennisball rollte mir vor die Füße. Mit einem kräftigen Tritt schoß ich ihn Hamble durch die Beine, er rollte ziemlich weit und blieb schließlich ein oder zwei Meter vor meiner Frau liegen, die ihn sich kurz ansah und weiterging. Ein paar Sekunden lang redete sie mit sich selbst, denn Webb stellte seine Tüte ab, hob den Ball auf, machte zwei lange Schritte auf uns zu, die Arme ausgestreckt, den Ball mit beiden Händen von oben und unten umfassend. Dann schnellte sein rechter Arm über den Kopf, als wollte er uns den Ball zuwerfen, so daß Mrs. Webb, Mrs. Hamble und Virginia hastig zum Rasenrand flüchteten. Hamble und ich beugten uns mit ausgestreckten Armen vor, um ihn zu fangen, aber er kam in einem unerwarteten, von unten geworfenen Lob aus Webbs linker Hand auf uns zu, und unsere Hände griffen ins Leere, während der Ball vom Boden abprallte und mich in die Eier traf.
»Sie Teufelskerl, Webb!« rief Hamble grinsend und rotgesichtig.
Mrs. Hamble säuselte: »Tollpatsch! Tollpatsch!«, und Mrs. Webb klatschte, lächelte dabei aber nicht, was ihren Applaus etwas relativierte.
Ich grinste, glaube ich zumindest, und wurde ebenfalls rot im Gesicht, als ich sah, daß Webb den Mund weit aufriß und seinen Finger in die Luft streckte, während meine Frau uns alle argwöhnisch beobachtete wie eine überpflichtbewußte Spielplatzaufseherin. Mein Sohn hob den Ball wieder auf und sagte, sowohl zu Hamble wie zu mir: »Er ist einfach nur blöd. Den Trick habe ich schon tausendmal gesehen.«
Aber Hamble lächelte weiter, jetzt zu seiner Frau gewandt, die den Arm um Virginia gelegt hatte und ihr etwas zuflüsterte.
Ich bemühte mich, mein Grinsen wirklich wie ein Grinsen aussehen zu lassen, und sagte zu meiner Tochter: »Warum gehst du nicht mit Mrs. Hamble voraus und suchst uns einen schönen Picknickplatz?«
Mrs. Hamble hörte nicht, was ich sagte. Sie schaute mit leerem Blick durch den Park und hoch zum Himmel, als dächte sie darüber nach, ob irgendwas falsch daran sein könnte, daß sie an einem so schönen Tag so glücklich war. Dann kehrte sie, mit Mrs. Webb an ihrer Seite und nachdem sie Virginia einen sanften Schubs nach vorn gegeben hatte, auf die Mitte des Wegs zurück und ging ein paar Schritte hinter Webb und meiner Frau her, bevor sie sich umdrehte und zu uns zurückkehrte, so daß nun Mrs. Webb und Virginia allein weitergingen.
Als sie auf mich zukam, warf mein Sohn den Ball hinter seinem Rücken hervor, und Hamble sprang danach, verfehlte ihn und kippte zur Seite. Eine Weile saß er kichernd im Gras, streckte dann die Hand aus, damit mein Sohn ihm aufhelfe, packte ihn aber am Bein und zerrte ihn, auch jetzt wieder kichernd, neben sich aufs Gras. Mrs. Hamble keuchte, und als ich mich umdrehte, sah ich, daß sie sich den Bauch hielt. Ihre Augen waren feucht und nach oben verdreht, als müßten die Tränen aus ihnen herausgepreßt werden.
»Mein Gott«, dachte ich, »sie hat einen Anfall!« Und hätte beinahe nach meiner Frau gerufen.
Aber nein. Sie berührte mich am Handgelenk und flüsterte: »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich ... ich bin ja so glücklich. Es ist alles plötzlich so wunderbar, ihn zu sehen, wie er ... wir haben ja so eine ... heute lächelt Gott auf uns herab ... Er hätte einen ganz wundervollen Vater abgegeben.«
Hm, ja. Ich bin zwar nicht religiös (glaube ich zumindest), aber als ich Hamble so auf dem Gras mit meinem Sohn sah, mußte ich kurz an einen fröhlichen, rotgesichtigen Gott denken, ausgelassen auf dem Rasen mit Kindern spielend, die seine Wampe und seine Zuckungen anschauen
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