Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
und natürlich waren sie alle von ihr selbst gebacken. Jedes Paar hatte eine eigene Thermosflasche mit einem Getränk dabei.
Meine Tochter und Mrs. Webb reichten nun die Dosen auf höfliche Art herum, und Mrs. Hamble zeigte auf die ihren und erklärte ihren Inhalt, wobei sie hin und wieder und vorwiegend zu Virginia Bemerkungen über die Rezepte machte. Da die Dosen nun von Hand zu Hand gingen und dabei häufig mit meinen und Webbs Versuchen kollidierten, aus unseren jeweiligen Thermoskannen Kaffee und Orangeade einzugießen, war das Durcheinander so groß, daß meine Frau nach dreißig Sekunden entrüsteten Starrens den Drang verspürte, die Sache in die Hand zu nehmen, wobei letztendlich mein Versuch den Ausschlag gab, in einer Hand eine Dattelschnitte mit einem Gurken-Sandwich obendrauf zu balancieren und mit der anderen Hand Orangeade auszugießen, so daß ein paar Tropfen davon auf das Sandwich spritzten, wodurch es noch weicher und schlaffer wurde, als es eh schon war, und bald darauf in zwei Hälften auf das Gras plumpste.
»Warum stellen wir nicht einfach alles in die Mitte und greifen zu?« sagte sie.
»Halt Ausschau nach den Krauts. Du bist dran mit Wache schieben, Soldat Ripple«, sagte Hamble zu Adrian.
Keiner verstand diese Anspielung, und in dem Schweigen, das ihr forscher Tonfall bei allen anderen ausgelöst hatte, arrangierte meine Frau die Dosen in einem ungefähren Kreis in der Mitte der Decke. Ich sah, daß Hamble still vor sich hin grinste, und es munterte mich sehr auf, daß es ihm, im Gegensatz zu mir, offensichtlich nichts ausmachte, wenn seine Späße nicht verstanden wurden. Ich hoffte darauf, ihn anlächeln, ihm vielleicht sogar zublinzeln zu können, aber er schaute nicht in meine Richtung, sondern nur zu seiner Frau, um zu sehen, wie es ihr ging. Er wollte sie auch weiterhin unbedingt unterhalten. Die Spuren ihrer Tränen waren noch immer im Puder oben auf ihren Wangen zu sehen, es
hätte allerdings auch ein Lichtstrahl sein können, der durch die Bäume brach. Sie schien noch immer recht glücklich zu sein, hielt eben einen Hafermehlkeks in die Höhe und erzählte Virginia irgendwas über Reispapier.
»So macht das Leben Spaß«, sagte Webb.
Mrs. Webb kaute gerade eins ihrer eigenen Sandwiches, wie ich es tat, obwohl dazu kaum eine Kieferbewegung nötig war, da sie die Beschaffenheit von Kartoffelbrei ohne auch nur das kleinste feste Stückchen darin hatten. Mrs. Webb starrte das ihre sehr intensiv an, schaute allerdings auch immer wieder hoch und jedesmal in die Richtung einer anderen Person, als wollte sie nachsehen, ob sie beobachtet wurde. Schließlich war ich an der Reihe, und sie bemerkte, daß es tatsächlich so war, woraufhin sie errötete, und ich war auch nicht annähernd reaktionsschnell genug, um mein Starren in ein Lächeln zu verwandeln.
Webb sagte eben zu ihr: »Abwechslung ist das halbe Leben, heißt es«, und dann zu mir: »Sie machen das oft, nicht? Das sind die Kinder. Da muß man einfach mehr Initiative zeigen.«
Ich nickte, tat aber plötzlich so, als hätte ich Nackenschmerzen, denn mir war wieder eingefallen, daß ich ihn eigentlich ignorieren sollte. Dann schaute ich zu, wie meine Frau Mrs. Hamble eine unserer Plastikdosen anbot, die sie entgegennahm und an Virginia weiterreichte.
»Wir haben uns einen sehr schönen Tag dafür ausgesucht, das ist mal sicher«, sagte ich.
»Ist es nicht wunderbar«, sagte Mrs. Webb versonnen, als wollte sie gleich ein Liedchen anstimmen. »An einen so schönen Sommer kann ich mich gar nicht erinnern.«
Worauf Webb ihr das Knie tätschelte und sagte: »Mein altes Mädchen hat den Sommer unserer Hochzeit ganz vergessen. Einen Monat lang schien damals jeden Tag die Sonne. Hand in Hand spazierten wir über weites, sonnenhelles Hochland, wie’s so schön heißt.«
Mrs. Webb sagte: »Na, na«, und senkte dann den Kopf, als würde sie gleich einnicken oder sich schämen, aber sie zog ihr Knie nicht unter der Hand ihres Gatten weg.
»Das war Winston Churchill«, sagte Mrs. Hamble vorwurfsvoll, aber ihr Gesicht nahm dabei einen fast entzückten Ausdruck an, und sie wandte sich ihrem Mann zu, weil sie sich vielleicht an ihre Hochzeit und an Spaziergänge Hand in Hand im Sonnenschein erinnerte.
Meine Frau, fürchte ich, schaute Webb voller Entrüstung an oder, genauer, mit diesem harten Lächeln, das die Leute bekommen, wenn in einer Gesellschaft Schweigen herrscht und jemand einen Geruch abgegeben hat oder wenn man in einer
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