Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Schlange an der Haltestelle steht und ungeduldig auf den nächsten Bus wartet, der schon um die Ecke zu kommen scheint, sich dann aber als ganz anderes Schwerfahrzeug erweist. In dem Augenblick dachte ich an unsere Hochzeit während eines Regenschauers und an diese Sekunde, als unsere vereinigten Hände sich anfühlten wie eine einzige, knotige, gelähmte Faust. Der einzige Spaziergang, an den ich mich erinnern konnte, war einer auf einem schmalen Pfad neben einem gepflügten Acker. Wir hatten versucht nebeneinanderzugehen, mußten aber immer wieder Grasbüscheln und Erdklumpen ausweichen.
»Der gute, alte Winston«, sagte Hamble.
Unter meinem angehobenen Ellbogen hindurch sah ich meinen Sohn mit der flauschigen Spitze eines Grashalms über sein Knie streichen und wünschte mir, er würde irgend etwas sagen. Ich griff nach einer der Dosen und bot sie ihm an. Er nahm sich eins der Cornflakes-Dinger und biß kräftig hinein.
»Und was ist heute mit bitte und danke?« fragte ich gutgelaunt.
»O Mann, danke«, murmelte er.
Ich hielt ihm die Hand über den Kopf, wie um ihn vor dem Tadel zu beschützen, der ihm von seiner Mutter bevorstand, denn sie hat etwas gegen Schmollen, war es doch für sie ein Zeichen, daß man nicht mehr zu schätzen weiß, was man hat.
Webb sagte: »So einen könnten wir noch einmal vertragen, meinen Sie nicht auch, Mr. Ripple, Tom?«
Er hielt eine Makrone in die Höhe und wollte eben abbeißen, und ich dachte kurz, er hätte den Keks gemeint. Aber meine Frau
hatte ihr Kinn vorgestreckt und schien kurz davor, eine ihrer dezidierten Ansichten auszubreiten, was in dieser Gesellschaft völlig unangebracht gewesen wäre, und deshalb warf ich schnell dazwischen: »Der war schon ein Kerl, unser Churchill.«
»Er hat uns nur gerettet, uns zum Sieg geführt«, sagte Mrs. Hamble, aber es klang eher wie ein verhaltener Schlußsatz. Sie zog ein Taschentuch aus ihrem Ärmel, arrangierte es zu einem ordentlichen Bausch und schneuzte sich. Ich dachte, sie würde wieder anfangen zu weinen.
Virginia war es, die sich nun zu Wort meldete. (Bis dahin konnte ich ihr nie übelnehmen, daß sie gelegentlich versuchte, ihrer Mutter nachzueifern, die jetzt stolz auf sie herabsah.)
»Mummy sagt, er hat auch viele Fehler gemacht, nicht, Mummy? Und nach dem Krieg wurde er nicht wiedergewählt. Er war zu diktatorisch oder so was und außerdem ein Mitglied der herrschenden Klasse.«
Ich sah, daß Hamble rot im Gesicht wurde, und fand es schade, daß meine Frau es nicht auch sah, wobei ich allerdings bezweifle, daß das irgend etwas bewirkt hätte.
Und natürlich legte sie nun los. »Für seine Zeit mag er ja ganz richtig gewesen sein. Aber er war nicht gerade ein Verfechter von Demokratie und Verteilungsgerechtigkeit, und außerdem habe ich so meine Zweifel, ob Heldenverehrung gut ist für eine Gesellschaft, die von unten nach oben radikal umgestaltet werden muß.«
Hamble sagte nun sehr ruhig und sehr hörbar, während seine Frau das Taschentuch von der Nase zum Mund führte: »Ich schätze, ich gehöre zur Arbeiterklasse, und ich bin kein verdammter Tory, aber er hatte wirklich Stil, er war groß, größer als alle anderen zusammengenommen.« Dann murmelte er, so daß nur ich ihn hören könnte: »Von unten nach oben. So eine gequirlte Scheiße.«
Ich schaute ihn an, hob dabei die Augenbrauen, so weit es ging, und legte anschließend die Stirn in Falten, um ihm anzudeuten, daß ich das kulinarisch für keine so gute Idee hielte. Er verstand das alles, und nach einem kurzen Blick zu meiner Frau warf er mir ein sehr knappes, aber sehr glückliches Lächeln zu.
Meine Frau schraubte langsam eine Thermoskanne auf und goß einen Pappbecher voll, mit einem völlig ausdruckslosen Gesicht, das überdeutlich zum Ausdruck brachte, daß Orangeade ihre Aufmerksamkeit viel mehr verdient hatte als Winston Churchill, ob nun jetzt oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt. Den Becher bot sie Hamble an.
»Kann sein, daß ich nicht genug Wasser hineingetan habe«, sagte sie.
Hamble nahm den Becher mit der rechten Hand, die er mit der linken am Gelenk umklammert hielt, um sie ruhig zu halten. »Ist sicher sehr gut.« Seine Hand fing an zu zittern, und er stellte den Becher ins Gras.
»Er mag sie stark«, erklärte Mrs. Hamble.
Inzwischen lächelte meine Frau wieder, hatte sie doch Winston Churchill in seine Schranken verwiesen. Dachte sie zumindest.
»Sie können nicht behaupten, daß Churchill nicht groß war«, murmelte Mrs.
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