Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
Ich liege auch jetzt nicht wach und zerbreche mir den Kopf über sie, höchstens gelegentlich, wenn ich mir den Kopf darüber zerbreche, ob ich es tun sollte.
Mein Sohn wird wahrscheinlich jemanden heiraten wie meine Frau, weil er, wie ich, kein sehr energisches Temperament besitzt, allerdings hat er den scharfen Verstand meiner Frau, der hin und wieder in Streitlust ausartet; also wird er sich vielleicht eine Frau suchen, die vorwiegend dann das Sagen hat, wenn nicht gerade ein Gespräch läuft. Es gibt allerdings etwas an ihm, das mir ein wenig Sorgen macht — ein gewisser Mangel an Fröhlichkeit, oder ist es vielleicht sogar Freudlosigkeit? Ich müßte mir allerdings um einiges klarer darüber sein, als ich es im Augenblick bin, um mit meiner Frau darüber zu sprechen.
Meine Tochter, die jetzt, mit zwölf, noch zu einer gewissen Affektiertheit neigt, aus der sich zweifellos die Gewißheit meiner Frau in bezug auf Gut und Böse entwickeln wird, wird auf keinen Fall jemanden wie mich heiraten, wenn auch nur, weil sie ein gutes Stück hübscher sein wird als meine Frau und deshalb die größere Auswahl haben wird, vor allem, wenn sie mit der Zeit noch lernt, die Abgrenzung zwischen Gut und Böse ein bißchen zu verwischen. Außerdem wird, dank ihrer jahrelangen Indoktrination durch die Ansprüche meiner Frau, einer wie ich schon ein gutes Stück unterhalb ihres Sichtfeldes stehen, wenn es dann einmal soweit ist. Was beide meiner Kinder einmal haben werden, ist sowohl Zielstrebigkeit wie Intelligenz. Auch ich habe Ambitionen für sie, einfach weil ich neugierig bin, zu sehen, wie weit sie es schaffen. Ich habe nichts dagegen, zu winken, bis sie außer Sicht sind. Während ich an meinem Sherry nippe, danke ich meinem Schicksal (meiner Frau), daß ich sie zeugen durfte, daß sie nicht entstellt oder zurückgeblieben oder häßlich sind, daß sie wahrscheinlich keine Forderungen an mich stellen werden. Nein, es wurmt mich nicht lange, daß sie meine Grüße nicht erwidern.
So richtig als komplette Familie fühlen wir uns nur im Urlaub. Zumindest bis jetzt waren unsere Urlaube glückliche Intermezzi. Meine Kinder nennen mich dann wieder Daddy, fragen sowohl mich wie meine Frau um Erlaubnis, ob sie dies und das tun dürfen, tollen mit mir am Wasserrand herum und fassen sogar manchmal nach meinen Händen, wenn wir am Strand oder sonstwo spazierengehen. Im Urlaub legen wir unser gewohntes Leben ab. Kein Fernsehen, Unmengen frischer Luft und Bewegung und viel tiefer Schlaf. Sogar meine Frau stürzt sich hinein und zappelt auf für sie höchst untypische Weise darin herum. (Ich rede jetzt vom Wasser.) Wir sind eine richtige Familie in diesen zwei Wochen (mehr können wir uns nicht leisten, das ist allerdings immer noch mehr, als die meisten Leute sich leisten können, vielen Dank, meine Liebe). Ich vermute, wir sind ein erfreulicher Anblick, wie wir fröhlich miteinander plaudern und herumplanschen. Ich sehe andere Familien wie uns, und mir kommt der Gedanke, daß wir
im Vergleich zu ihnen recht gut abschneiden. Wir sehen irgendwie gesund aus. Unsere inneren Stimmen scheinen verstummt zu sein. Für meine Frau sind zwei Wochen genug. Für meine Kinder sind sie es allerdings bei weitem nicht. Mir ist es ziemlich egal. Wie ich eben darzustellen versucht habe, gefällt mir die Urlaubsstimmung, aber ich freue mich auch immer wieder auf den Fernseher, wenn wir zu Hause sind.
KAPITEL ZWEI
M anchmal denke ich mir, ich könnte ein wenig mehr von Webbs Neugier und der Herzensgüte der Hambles vertragen. Wie gesagt, wir wohnen zwischen ihnen — zwei kinderlosen Paaren –, und während ich mich frage, ob sie glauben, sie täten mir leid, spüre ich ihre wachsam prüfenden Augen beständig auf mir, ebenso wie die meiner Frau.
Manchmal denke ich daran, einfach zu verschwinden. Wegen meiner Familie würde ich mir keine Sorgen machen, o nein. Aber wohin sollte ich gehen? Ich sehe es vor mir, wie ich eine kurze, prägnante Nachricht auf den Kaminsims stelle, mich mit einem kleinen, schwarzen Plastikkoffer, dem einzigen, der mir gehört, über den Gartenpfad davonstehle, nach links abbiege ... und dann stocken meine Schritte. Ich sehe es vor mir, wie ich das Gartentor der Webbs öffne und ihren Gartenpfad hinuntergehe (meine Frau hat die Kinder zu irgend etwas Förderlichem gebracht, wie etwa dem örtlichen Jugendclub, den sie hassen wegen der Förderung, die er ihnen eben nicht zuteil werden läßt), an ihre Haustür
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