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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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ich würde es nicht tun, hätte mir dann allerdings schon welche bereiten sollen; aber man kann sich im Dunkeln nicht in die Augen sehen, und der Rasierspiegel zeigt einem nur Niederlagen und Fehler der weniger speziellen Art. Als ich am Tag darauf Plaskett vor mir am Portier ohne jeden Gruß vorbeigehen sah, wünschte ich ihm einen besonders guten Morgen (dem Portier natürlich, Plaskett bekommt von mir immer diese Begrüßung) – ich zwinkerte sogar und legte ihm die Hand auf die Schulter. Zum allerersten Mal reagierte er nicht darauf, sondern wandte mir den Rücken zu. Ich kenne ihn als durch und durch netten Mann, der bei Kollekten für Kollegen immer am meisten gibt, für Hochzeitsgeschenke oder was immer. Was ist nur aus mir geworden, fragte ich mich. Ein Radfahrer und ein Speichellecker, ein Arschloch durch den Umgang mit einem, und noch dazu ein herablassendes – all das konnte ich mir immer weniger vorstellen, als ich mein Büro erreichte und Plaskett, eine Akte in der Hand, dort stehen sah. Er schaute nicht einmal richtig auf seine Uhr, ließ sie nur unter seiner Manschette hervorlugen, indem er den Arm ausstreckte. Er wünschte auch mir keinen guten Morgen. Das tut er nie. Er kommt immer sofort zur Sache. Als ich mittags das Haus verließ, schenkte mir der Portier sein gewohntes, breites Lächeln, wodurch ich mir wieder gut vorkam; du bist also doch kein solches Arschloch, Ripple, murmelte ich und sagte mir im selben Augenblick, ich bräuchte deswegen doch nicht so herablassend zu sein.
     
    Es war ganz okay, den Tag mit meinem Sohn zu verbringen. Es gibt immer etwas, wohin er mit mir gehen will ̶ ein Museum, eine Ausstellung, einen Rummelplatz, einen Film. Meistens gibt es dann auch etwas, worüber wir uns unterhalten können. Ich freue mich nicht, wenn seine Stimme endgültig bricht, denn ich bin mir sicher, daß sie viel tiefer sein wird als die meine (beinahe hätte ich geschrieben, »die meiner Frau«), und es ist nicht sicher, wer dann Gefahr läuft, auf wen herabzureden. Sein Selbstvertrauen wird immer größer, und er kann über seine schulischen Erfolge
ohne Prahlerei oder Verlegenheit reden. Er ist noch immer sehr geschickt mit seinen Händen. Er hat diverse kleinere Holzobjekte für mich gefertigt — letzten Samstag war es die farblich gefaßte Schnitzerei eines alten Mannes in, glaube ich, österreichischer Tracht. Ich weiß nicht, ob er in der Schule als intelligent betrachtet wird, zeugnisrelevante Einstufungen in dieser Hinsicht wurden ja abgeschafft, damit die Kinder nicht mehr denken, einige seien fleißiger/intelligenter als andere, wodurch bei einigen die Selbstachtung gehoben, bei anderen reduziert wird, wodurch man ihnen aber auch nicht mehr beibringen kann, die Realität zu akzeptieren — was ganz in Ordnung ist, so unakzeptabel, wie sie normalerweise ist, was allerdings die Frage aufwerfen sollte, ob es so sein muß, wie es ist, oder ob man sich nicht doch etwas anderes vorstellen könnte. Vielleicht ist das der Punkt, wo Erziehung relevant wird: so viele Alternativen wie möglich in der Vergangenheit oder sonstwo aufzuzeigen, in Büchern und der Kunst usw; Alternativen vielleicht auch zum Tagträumen – vorwiegend (fast ausschließlich?) von Erfolg/Aussehen und Mädchen/Jungs –, das fast die ganze Zeit beansprucht, welche uns die Realität übrigläßt in diesem (jedem?) Alter, und über das wir, wie über die Realität, keine Kontrolle haben, und deshalb kann es nicht das genaue Gegenteil sein, nicht so wie die vorgestellten Alternativen. Also sollten die Schulen, wenn ich das mal so sagen darf, den Kindern beibringen, die Realität so zu sehen, wie sie ist, sich mehr vorzustellen und nicht nur davon zu träumen, der Beste zu sein und an der Spitze zu stehen, wenn man so will; ihnen beibringen, andere so zu achten, wie man selber geachtet werden möchte, und es dadurch ermöglichen, daß zeugnisrelevante Intelligenz/Fleiß-Einstufungen wieder eingeführt werden, um einmal völlig unrealistisch zu sein. Ich selber war in der Schule in jedem Fach ziemlich genau im Mittelfeld, was rede ich also? Mein Sohn macht einen intelligenten Eindruck. Prüfungen bereiten ihm kein Kopfzerbrechen. Er sagt, die Schule macht ihm Spaß. Wenn ich ihn danach frage, habe ich das Gefühl, er denkt, ich würde nach Problemen suchen, wo keine sind. Vielleicht gehört er zu denen, für die Erziehung nichts anderes ist als das Bestehen von Prüfungen und
das Nutzen der Chancen, die man dadurch

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