Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
Vom Netzwerk:
bin. Er kann diese Liebe nicht ausdrücken, so wenig, wie ich es kann. Er ist nicht entspannt, er ist nicht cool, das erkenne ich jetzt. Wir gehen nüchtern, verklemmt, witzelnd miteinander um, eben wegen dieser Liebe. Hoffe ich zumindest. Ich weiß es nicht. Manchmal denke ich, ich würde ihn gern für eine lange Zeit schweigend im Arm halten, sein Kopf an meiner Brust, so wie damals, als er noch sehr jung war und eine kleine Verletzung an Körper oder Seele erlitten hatte. Ob er sich auch noch an diese Zeiten der Nähe erinnert, an die Wärme meiner Umarmung, mein tiefes, ruhiges Atmen? Und ob ihm bei diesem Gedanken ein Schauder über den Rücken läuft? Wir haben noch so viele Jahre vor uns. Wir werden uns wohl erst als Männer kennenlernen. Ich bin mir sicher, wir werden gut miteinander zurechtkommen, wenn wir uns auf einen Drink in einem Pub treffen und über bedeutende Dinge sprechen, den Zustand der Wirtschaft und so weiter. In der Zwischenzeit schlendern wir nebeneinander durch Besucherscharen und achten sehr genau auf die Zeit und denken während eines Großteils derselben überhaupt nicht aneinander.
     
    Ich erzählte Plaskett, daß ich von meiner Familie getrennt sei.
    »Das tut mir leid, Tom. Eine Familie kann ein Anker sein. Bin ja selber auch eher ein Familienmensch.«
    Ich meinte, so was passiere eben.
    »Natürlich«, fuhr er fort, »kann es einen auch ziemlich von der Arbeit ablenken, wenn der alte, eheliche Kahn leckgeschlagen ist. Da ist ein sauberer Bruch schon besser, als ...«
    Er beendete den Satz nicht, sondern griff nach der Akte, die ich ihm gebracht hatte. Er vor allen Leuten weiß, daß ich noch immer sehr auf meine Arbeit konzentriert bin – wenn überhaupt, um es mal so zu sagen, dann bin ich noch loyaler und zielstrebiger als zuvor. Mein Privatleben ist ihm scheißegal, und ich respektiere ihn dafür. Warum sollte es ihn auch kümmern? Das seine ist mir ja auch scheißegal, interessieren würde es mich allerdings schon.
Wie kann irgend jemand, vor allem eine Frau und Kinder, seinen Anblick ertragen? Aber wie gesagt, ich kann es, inzwischen. Sogar sehr gut. Es ist offensichtlich möglich, Leute trotz ihrer Fehler, oder vielleicht sogar deswegen, zu mögen, ja zu lieben. Wäre das nicht ach so ungemein tugendhaft, würde jeder es tun? Zuneigung und Liebe haben eine ganze Menge zu verantworten; ohne sie würden die Leute viel weniger haßerfüllt und gemein sein.
     
    Warum rede ich mir in bezug auf meinen Sohn etwas ein? Eines Tages werden wir uns gegenübersitzen und uns aus diesem oder jenem Grund gegenseitig auf die Nerven gehen, jedoch aus einer alles überragenden Zuneigung heraus, hoffe ich zumindest. Wenn ich ihn jetzt zur U-Bahn bringe oder an der Ecke der Straße, wo er jetzt wohnt, absetze (ich setze ihn nicht vor der Tür ab, weil es dann passieren könnte, daß mich der so besonders enge Händedrücker  – ich nehme an, es handelt sich um ein und dieselbe Person  – ins Haus bittet), dann schaue ich ihm nach, und wenn er außer Hörweite ist, dann sage ich etwas, irgend etwas, laut und deutlich, um die zugeschnürte Kehle etwas zu lockern. Ich schließe die Augen, weil sie ein bißchen brennen. Das Gefühl geht schnell vorbei. Vor allem in einer solchen Situation stelle ich mir vor, daß wir zusammensitzen und über den Zustand der Nation diskutieren und uns gegenseitig mit unseren Ansichten und der Art, wie wir sie ausdrücken, ein klein wenig auf die Nerven gehen. Wenn ich ihn weggehen sehe, sage ich mir, daß er keine Schwierigkeiten haben wird, einen einträglichen Job und eine nette Frau zu finden, und er sich ein hübsches Heim und eine harmonische Familie schaffen wird, die dann so viel von seiner Zeit beanspruchen werden, daß er keinen Grund mehr haben wird, ein wenig derselben für mich zu erübrigen. Wenn ich nicht der Vater meines Sohns wäre, würde ich ihn nicht bemerkenswert finden. Ich sehe in ihm nicht mich selbst und auch nicht seine Mutter. Ich frage mich, ob er zu einem besseren Verlierer wird. Ich bin mir sicher, daß es so sein wird, sollte er je anfangen, zu einem Gewinner im Leben zu werden. Wenn er von mir weggeht, bin ich mir sicher, daß ich ihn liebe, obwohl wir während des ganzen Nachmittags im Museum
oder sonstwo sehr genau auf die Zeit geachtet haben und Schwierigkeiten hatten, über anderes zu reden als über die Objekte in den Vitrinen. Und obwohl ich, sosehr ich mich auch bemüht habe, es nur einmal schaffte, ihn richtig zum Lachen

Weitere Kostenlose Bücher