Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now
allgemeinen ist es jedoch so, daß Leute, je höher sie sich selber schätzen, um so geringer von anderen geschätzt werden (sollten?), wobei jedoch das Gegenteil offensichtlich nicht zutrifft. Ich will deshalb nicht, daß das, was mein Sohn von mir hält, irgend etwas mit dem zu tun hat, was ich selber von mir halte oder was er in der Richtung vermutet. Ich will, daß wir beide eine einfache Bescheidenheit an den Tag lagen, ohne zu wissen, daß wir sie überhaupt besitzen, ohne überhaupt einen Gedanken daran zu verschwenden, denn die drehen sich sowieso immer nur im Kreis und verdunkeln die Seite. Von denWebbs spricht er nie, mit Sicherheit deshalb, weil er mir Anspannung und Verlegenheit ersparen will.
Aus diesem Grund erzählt er mir auch nie, wie oft seine Mutter in Gesellschaft des einen oder anderen Handdrückers ist, und ich würde ihm auch nie von einer anderen Frau erzählen, mit der ich mich eingelassen habe. Ein- oder zweimal hat er vielleicht meinen schweifenden – nein, absichtsvoll suchenden – Blick durch die Menge gesehen, nach dem Üblichen suchend natürlich ... mich von diesen drögen Vitrinen abzulenken war dabei nur ein zweitrangiger Aspekt. Es wäre überraschend, wenn er ihn nicht gesehen hätte. Vielleicht weckt das sein Mitleid mit mir, daß ich einsam bin. Mir wäre es viel lieber, daß er Mitleid mit mir hat, als daß er mich in der Gesellschaft der Damen sieht, mit denen ich auf meinen Reisen des öfteren Umgang pflege. Ich habe natürlich nichts gegen sie, aber eine solche Dame hat eine Art zu schauen, als wäre sie speziell geschaffen für und suchte deshalb nur Typen wie mich, die – wie hat meine Frau es genannt, wo ist dieser .Brief – keinen unmittelbaren, überwältigenden Sexappeal genießen. Er würde den vorstehenden und teilweise entblößten Busen bemerken und die Dicke der Schminke vor allem um die Augen, und vielleicht hätte er dann noch mehr Mitleid mit mir, weil ich so weit gehen muß, um meiner Einsamkeit zu entfliehen. Also ist es mir lieber, er hat Mitleid mit mir ohne erkennbaren Grund
und läßt mich weiter meine Witze reißen, auch wenn ihn das vielleicht an Hamble erinnert, der im Park versuchte, seine Frau aufzumuntern. Natürlich kann ich nichts gegen diese Damen haben (ich würde es ihm nicht erklären müssen), tun sie doch kurzum alles für mich, und das in wirklich kürzester Zeit.
Ich würde meinem Sohn auch keine andere Frau vorstellen wollen, obwohl er, wie gesagt, ziemlich cool ist und weder Schock noch Abneigung zeigen würde. Er würde, dem äußeren Anschein nach, sie so betrachten, wie er die Objekte in den Vitrinen betrachtet, nachdem er die Erklärungskarten gelesen hat. Er würde nicht rot werden. Ob sie rot würde oder nicht, würde natürlich von der Dicke der Schminke abhängen. Ob ich es würde, würde natürlich auch davon abhängen und davon, wieviel ich glaubte, daß sie (ich?) zu verbergen hätte. Vielleicht würde er sich dann weniger verpflichtet fühlen, sich von mir so viele seiner Samstag- oder Sonntagnachmittage stehlen zu lassen.
Ich würde gerne ein durchschnittliches, fröhliches, direktes, freundliches, flexibles, tugendhaft wirkendes usw. Mädchen finden, das dieselben Fernsehsendungen mag wie ich und andere einfachen Freuden mit mir teilt – eine Frau, die unverkrampft rot wird und von der mein Sohn bedenkenlos meiner Frau erzählen könnte, ohne sagen zu müssen: »Dad hat sich da mit einer fürchterlichen Schlampe eingelassen.« Dann hätte er vielleicht kein Mitleid mehr mit mir (wenn er es überhaupt hat), und ich würde nicht mehr sein Gewissen belasten, auch das meiner Frau nicht mehr (was noch immer größtenteils ein und dasselbe sein dürfte, wenn auch nicht mehr für lange). Wenn er sich Sorgen um mich macht, dann vielleicht deshalb, weil sie es tut oder den Anschein erweckt, indem sie ihn fragt, wie es mir geht. Natürlich ist dies alles nur in meiner Vorstellung so. Ich weiß nicht, was er denkt. Ich bezweifle, daß ich es je wissen werde. Er wird mich nie zufällig mit einer anderen Frau sehen. Dafür werde ich sorgen. Es ist auch unwahrscheinlich, daß ich je eine Frau kennenlerne, die darauf besteht, mich in Museen zu begleiten. Ich stelle mir nur vor, ihn zu überraschen, weil ich mir dadurch besser überlegen kann, was er mir gegenüber empfindet.
Die Wahrheit ist, ich glaube (ich weiß), daß er mich vor allem liebt und mich vermißt und sich auf unsere Treffen freut, weil ich eben sein Vater
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