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Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now

Titel: Ein unauffälliger Mann - Chadwick, C: Ein unauffälliger Mann - It's All Right Now Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Chadwick
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Gefühle mir gegenüber, wie könnte ich da etwas anderes empfinden als Freundlichkeit und Güte und Dankbarkeit ihr gegenüber? Ich glaube, der Unterschied liegt in der Einseitigkeit der Dankbarkeit. Also wirklich, es ist so ein guter Brief. Es kommt mir ganz außerordentlich vor, daß ich verheiratet sein konnte, ja es noch immer bin, mit einer Frau wie ihr, die einen klaren, gebildeten Verstand hat und in der Welt Gutes tut. Hier ist er.
    Mein lieber Tommy (weißt Du noch, daß ich Dich in unserer Anfangszeit so genannt habe?),
    ich hoffe, Du kannst mir verzeihen, daß ich bei Deiner Rückkehr nicht mehr da bin. Im Kühlschrank und in der Speisekammer findest Du genug Essen für eine Woche. Zuallererst aber möchte ich Dich um Verzeihung bitten, weil ich mich des uralten
Klischees bedient habe, einen Brief auf den Kaminsims zu stellen und Dich in keiner Weise vorzuwarnen. Doch kann ich es auch kaum glauben, daß dies eine große Überraschung für Dich sein wird.
    Es wäre einfacher, wenn ich so tun könnte, als wäre ich unglücklich mit Dir gewesen, und sage es nur nicht, weil ich andere Dinge, meine Arbeit und die Kinder natürlich, im Kopf habe. Und ich glaube, ich kann gerechtfertigterweise davon ausgehen, daß auch Du mit mir nicht völlig unglücklich warst. Unser »Sexualleben« hat weiterbestanden mit nicht unwesentlicher Befriedigung auf beiden Seiten und nicht weniger Regelmäßigkeit, als man, nach der Literatur, bei Paaren unseres Alters und unserer Vertrautheit erwarten dürfte. Ich bedaure nichts, und ich bin für vieles dankbar. Du hast viele Eigenschaften, die eine Frau schätzen kann: die Ausgeglichenheit Deines Temperaments (ich glaube, ich kann mich nicht erinnern, daß Du je die Stimme erhoben hättest), und Dein völliger Mangel an Aufgeblasenheit und Dünkel. Und ich für meinen Teil glaube, daß ich Dir ein akzeptables Heim bereitet habe — auf jeden Fall ein deutlich besseres als viele, die ich bei meiner Arbeit kennenlerne. Und doch ...
    Habe ich nicht ein- oder zweimal ein Zucken, ein Augenverdrehen bemerkt (wenn ich mich nicht täusche, ist es ein Zeichen Deiner Rücksichtnahme, daß es nie mehr als das war), als Hinweis darauf, daß Du in letzter Zeit mit meiner — unmaßgeblichen — Weltanschauung nicht mehr einverstanden warst, Dich mit ihr nicht mehr wohl gefühlt hast. Es wäre unehrlich von mir, würde ich nicht zugeben, daß Deine Interessen und Deine Lebensgestaltung sich von den meinen ebenfalls entfernten. (Es geht hier natürlich nicht um richtig oder falsch, zumindest in der Privatsphäre nicht.) Kurz gesagt, an der Oberfläche unseres gemeinsamen Lebens hat sich eine Neutralität und Toleranz entwickelt, die allmählich so weit in die Tiefen unserer Beziehung eindrang, daß wir, glaube ich zumindest, beide gespürt haben, es wäre ein Fehler, eine Beschneidung der Potentiale unserer jeweiligen Persönlichkeiten, wenn wir unsere Ehe
weiterführen würden. Vielleicht werden wir eines Tages wieder zusammenkommen wollen. Aber irgendwie bezweifle ich das. Was die Kinder angeht, so haben auch sie, glaube ich, eine Inkompatibilität zwischen uns beiden entdeckt, die, meinst Du nicht auch, schädlicher hätte werden können als eine Trennung. Ich habe ihnen gesagt, wir hätten beschlossen, eine Weile getrennt zu leben. Sie sind völlig davon überzeugt, daß es kein böses Blut zwischen uns gibt. Ich bin fest entschlossen, wie Du zweifellos auch, dafür zu sorgen, daß unsere Trennung eine »zivilisierte« wird — ein Wort, das ich gerne vermeiden möchte, hat es doch so starke Klassenassoziationen. Es gibt im üblichen Sinn keinen anderen Mann in meinem Leben, allerdings einen Kollegen, der mir ein besonders enger Freund geworden ist. Es war in seinem Haus, wenn Du Dich erinnerst, wo Du diese ungewöhnliche Bemerkung über Mona Lisa gemacht hast. Und ich würde gern hoffen, daß es, zumindest für eine Weile, in Deinem Leben keine andere Frau geben wird, mit der sie (die Kinder, meine ich) zurechtkommen müssen. Aber das ist nur eine Hoffnung, keine moralische Aussage. Ich wünsche Dir vor allem Glück (und weiterhin Erfolg), und sollte eine andere Frau wichtig für Dich werden, darfst Du wegen mir keine Sekunde zögern und wegen ihnen nur wenig länger, denn auch sie wollen nur Dein Glück. Sie werden sich bald daran gewöhnt haben. Um ehrlich zu sein, ich erwarte nicht, daß das männliche Geschlecht, soweit es von meiner Verfügbarkeit weiß, an meiner Tür Schlange stehen

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