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Ein unbeschreibliches Gefuehl

Ein unbeschreibliches Gefuehl

Titel: Ein unbeschreibliches Gefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Schlueter
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wurde das Liebespaar auf den berühmten Friedhof »Père Lachaise« in Paris umgebettet. Über den sterblichen Überresten errichtete man ein neugotisches Grabmal.
    Neben Abaelards Autobiographie »Historia Calamitatum« (deutsch: »Leidensgeschichte«) sind Briefe erhalten, die Abaelard und Héloïse nach ihrer Trennung gewechselt haben. In ihnen belehrt Abaelard die verzweifelte Héloïse, dass sie nun, als Nonne und Priorin, alle Kraft in das geistliche Leben investieren müsse. Ihrer beider Liebe sei unrecht gewesen, die Folgen müssten als Strafe Gottes getragen werden, und diese Strafe sei keineswegs zu hart ausgefallen.
    Ganz sicher hat Héloïse Abaelard bis zu ihrem Tod geliebt. Aber die durchgängige Echtheit der Briefe wird bezweifelt. Manche Forscher vermuten, dass sie allein von Abaelard stammen. Wieder andere halten es für wahrscheinlich, dass Abaelard echte Texte von Héloïse zumindest überarbeitet hat. In jedem Fall passt der Briefwechsel zu dem, was der Franzose als Wissenschaftler, als Theologe und Philosoph, über die Liebe gesagt hat.
    Erinnern wir uns: Augustinus hatte unterschieden zwischen der genießenden, empfangenden Liebe zu Gott (»frui«) und der auf den eigenen Nutzen gerichteten, den Partner daher immer auch instrumentalisierenden Liebe zwischen Menschen (»uti«). Abaelard – und auch sein mächtiger Gegenspieler Bernhard von Clairvaux – perfektionieren siebenhundert Jahre später jenen Gedanken der reinen Liebe. »Rein« zu lieben heißt zu lieben, ohne das Ergebnis auch nur gedanklich mit einzubeziehen. Rein um des Liebens willen soll man lieben, ohne Erwartung, ohne Gedanken an das Ziel. Das klingt widersprüchlich, und so ist es auch gemeint. »Dialektik« nennt man den Widerspruch, der sich hier auftut. Wie soll das möglich sein: zu lieben und in dieser Liebe zugleich ganz davon abzusehen, was konkret daraus wird?
    Möglich ist das für Abaelard und die Seinen letztlich nur in der idealen Liebe zu Gott. Er stützt sich auf die Bibelstelle 1. Korinther 13,5–7: »Die Liebe sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.« Aus diesen Worten des Apostels Paulus leitet Abaelard ab, dass die reine Liebe ihren Lohn in sich selbst findet und in nichts anderem. Wir sollen Gott nur um seiner selbst willen lieben und nicht, weil wir dadurch die himmlische Seligkeit erlangen können. Ja, sogar die Tatsache, dass Gott uns zuerst geliebt hat und deswegen in die Welt gekommen und am Kreuz gestorben ist, darf nicht der Grund dafür sein, dass wir ihn unsererseits wiederlieben, sagt Abaelard. Für die Theologie hat er damit einen wichtigen Beitrag geleistet. Bis dahin hatte man den Kreuzestod Jesu vor allem als Sühnopfer interpretiert, mit dem für die menschlichen Sünden bezahlt worden sei. Abaelard hingegen betont, dass auch der Kreuzestod Jesu ausschließlich Ausdruck der reinen Liebe Gottes sei und damit ein Geschenk, nicht aber eine Wiedergutmachung im Rahmen moralischer Rechenexempel.
    Uns Heutigen freilich geht es mehr um die Frage, was wir von Abaelard in Sachen partnerschaftlicher Liebe lernen können. Wie schon bei Augustinus vermuten wir ja, dass aus dem, was Abaelard über die Liebe zu Gott gesagt hat, doch auch interessante Einsichten über die zwischenmenschliche Liebe zu gewinnen sind. Dabei kommt uns der Hochschullehrer aus Paris sogar entgegen. Denn er selbst schlussfolgerte aus seiner Theorie, dass es nicht nur in der Liebe zu Gott, sondern in allen Dingen rein auf die Gesinnung ankomme, mit der jemand handelt, und nicht auf das Ergebnis. So wie wir Gott lieben sollen, ohne auf die himmlische Seligkeit als Ergebnis zu hoffen, so sollen wir auch in unserem sonstigen Tun nur von der reinen Liebe bewegt werden und nicht auf den Ertrag schielen.
    Reine Liebe ist also keine erwidernde Gegenliebe, sondern grundlose, ursachenlose, sich ausschließlich an ihrem Gegenüber entzündende Liebe, die sich selbst als Geschenk an dieses Gegenüber versteht. Auf diese Formel lassen sich Abaelards Gedanken bringen. Eine wunderbare Formel ist das, eine Zauberformel geradezu – wenn es mit der Umsetzung nur nicht so schwierig wäre! Wo gibt es das schon, dass wir ganz losgelöst von den Folgen unserer Liebe lieben? Noch am ehesten in der bedingungslosen Liebe von Eltern zu ihren Kindern.

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