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Ein unbeschreibliches Gefuehl

Ein unbeschreibliches Gefuehl

Titel: Ein unbeschreibliches Gefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Schlueter
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Thomas von Aquin mit ihrer Hilfe sein imposantes Gedankengebäude errichten konnte.
    Aristoteles hatte gesagt, dass alles, was auf der Welt existiert, von der Möglichkeit zur Wirklichkeit unterwegs ist. Dasein ist Unterwegssein. Gesteuert wird dieses Unterwegssein von Gott. Der ist bei Aristoteles keine Person, sondern ein Prinzip, er ist die erste Ursache allen Existierens in der Welt. Er steuert alles durch eine Kette von Ursache und Wirkung und ist selbst, als Ausgangspunkt dieses Prozesses, unbewegt.
    Die Dinge bewegen sich aber nicht nur von Gott angestoßen, sondern sie streben auch, jedes für sich, nach ihrer individuellen Vollendung. Dieser Prozess, so sagte Aristoteles, vollzieht sich in einem Zusammenspiel von Materie und Form. Möglichkeit, das ist die bloße Materie, der bloße Stoff. Wirklichkeit entsteht, wenn zum Stoff die Form hinzukommt, man könnte auch sagen: der Plan oder das Wesen. Dann erst entsteht ein konkretes Ding. Zum Beispiel entsteht aus dem ungestalteten Ton ein Krug, wenn die Form des Kruges hinzukommt und sich mit dem Ton verbindet. Zu existieren bedeutet also nicht nur, in Bewegung gebracht, sondern auch, geformt und gestaltet zu werden. Wir ahnen es schon: Dann ist Gott natürlich nicht nur die erste Ursache aller Bewegung, sondern er ist auch reine Form, ohne die Schlacken der Materie. Er ist seit je die Vollendung seiner selbst.
    Eineinhalb Jahrtausende nach Aristoteles kam dessen Form-Materie-Prinzip dem Thomas von Aquin sehr recht bei seinem Versuch, Diesseits und Jenseits, Vernunft und Glauben widerspruchslos zusammenzufügen. Und zwar so: Die Dinge streben jetzt nicht nur nach ihrer individuellen Vollendung, sondern sie streben hinauf, zu Gott. Der ist bei Thomas nicht mehr nur erste Ursache, sondern auch letztes Ziel des ganzen Weltprozesses. Mit je mehr Materie nun ein Ding behaftet ist, desto weiter unten steht es in dem beschriebenen Prozess. Der Mensch hat, weil er eine geistige Seele besitzt, schon viel Form, er steht über den Pflanzen und Tieren.
    So weit die Kürzestversion von Thomas’ Lehre, denn uns interessiert ja speziell die Liebe. Zu ihr kommen wir jetzt sofort. Denn das Geformtwerden bedeutet nach Thomas zugleich auch – Geliebtwerden! Und es ist identisch mit dem Streben nach der idealen Bestimmung seiner selbst. In der Liebe, und das heißt im Bemühen um das jeweils eigene Beste, strebt jedes Geschöpf zu seinem Schöpfer hin, von dem es zuerst geliebt, und das heißt geformt wurde. Die Liebe ist hier also zum innersten Kern all dessen geworden, was in der Welt existiert, zu deren innerstem Kern und tiefstem Grund.
    Thomas verändert das unpersönliche Gottesprinzip des Aristoteles, indem er es mit der göttlichen Liebe verbindet und damit quasi lebendig macht. Der christliche Gott ist ja gerade kein unpersönliches Prinzip, sondern ein Liebender, der es dem Menschen ermöglicht, ebenfalls zu lieben – und zwar Gott ebenso wie die Mitmenschen. Diese Liebe heißt, wie schon bei Augustinus, Caritas. Ein anderer Begriff, den Thomas für sie gebraucht, lautet »amor amicitiae« – »freundschaftliche Liebe«. Denn von Aristoteles hat Thomas auch dessen Beschreibung der Liebe als Freundschaft übernommen. Der Grieche hatte ja das Wohlwollen für den anderen als Kennzeichen echter Freundschaft beschrieben. Das tut Thomas nun auch.
    Und er geht noch weiter. Von einem vielgelesenen anonymen christlichen Autor aus dem 6. Jahrhundert, der nur als Dionysius Areopagita bekannt ist, übernimmt Thomas eine weitere Definition der Liebe: Sie ist »vis unitiva« – »vereinigende Kraft«. Diese »vis unitiva« wirkt in der körperlichen Vereinigung ebenso wie in der Freundschaft der Seelen – ja, sie wirkt sogar zwischen Mensch und Gott. Sie zeigt sich zum Beispiel im Wohlwollen für den anderen, das wir schon kennen. Ihr höchstes Kennzeichen aber ist es, dass zwei Seelen sich in gemeinsamem Streben auf dasselbe Ziel hin ausrichten, dass sie ein und dasselbe wollen. Im »unum velle«, in der Einheit des Willens, miteinander verbunden zu sein, das ist die höchste, die geistigste Form der Liebe. Welchem gemeinsamen Ziel sich zwei, die einander auf diese Weise lieben, am besten zuwenden sollten, ist für Thomas, den Theologen und christlichen Philosophen, natürlich sonnenklar …
    In seinen Aussagen über die Liebe hat der berühmte Dominikaner manches auf den Punkt gebracht. Dass Liebende in der gemeinsamen Ausrichtung auf etwas Drittes eine schöne Verbindung

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