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Ein unbeschreibliches Gefuehl

Ein unbeschreibliches Gefuehl

Titel: Ein unbeschreibliches Gefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Schlueter
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zu lassen, denn sie können uns im Hinblick auf unser eigenes Liebesverhalten durchaus etwas sagen. Tatsache ist ja, dass auch die Liebe eines anderen Menschen etwas ist, was ich nicht »machen« und bewirken kann. Diese Erkenntnis ist in ihrer Bedeutung gar nicht zu überschätzen und wird heutzutage doch gern übersehen. Alles ist machbar, man muss nur wissen, wie, so lautet ja ein weitverbreiteter Irrtum. Wenn man bestimmte Normen erfüllt und noch dazu weiß, welche Knöpfe man kommunikationstechnisch drücken muss, dann darf die Liebe doch kein Problem sein? An dieser Illusion rütteln auch Filme wie »Er steht einfach nicht auf dich« (2009) nur vordergründig, denn die enden ja in der Regel auch immer mit Happy End.
    Aber im wahren Leben stimmt das eben nicht. Liebe lässt sich nicht herbeizwingen, weder bei einem selbst noch beim Gegenüber. Und das hat auch wieder seine guten Seiten. Denn wenn es stimmt, dass es nicht von bestimmten Vorleistungen abhängt, ob man geliebt wird, dann fällt jede Menge Stress weg. Dann darf man in der Liebe einfach so sein, wie man nun mal ist, und darauf vertrauen, dass man um seiner selbst willen geliebt wird. In der Religion lautet der Begriff dafür Gnade, der ist unter heutigen Liebenden natürlich völlig fehl am Platz. Aber dass die Liebe ein Geschenk ist, das – woher auch immer – angeflogen kommt, keine Beweise braucht und weder bestellt noch erarbeitet werden kann, das ist doch eine wichtige Erkenntnis. Freilich sollte sie nicht dazu verführen, sich gehen zu lassen. So sein zu dürfen, wie man ist, das heißt zum Beispiel nicht, ab sofort nur noch in Jogginghosen vorm Fernseher zu sitzen. Eines Geschenks sollte man sich würdig erweisen.
    In diesem Zusammenhang muss jetzt ein Satz von Augustinus zitiert werden, der berühmt geworden ist. Er lautet: »Liebe und tu, was du willst.« Vordergründig betrachtet, könnte er als Freibrief für ständiges Jogginghosentragen angesehen werden. Aber so ist er natürlich nicht gemeint. Gemeint ist: Wenn deine Liebe vollkommen uneigennützig ist, über jeden Egoismus erhaben, rein auf ihr Ziel ausgerichtet, dann wirst du von selbst richtig handeln. Dann tu ruhig, was du willst, denn du wirst das Richtige tun.
    Für Augustinus war eine solche Liebe auf Erden nicht aus eigener Anstrengung möglich. Für ihn wie für alle christlichen Denker ist der Mensch seit dem Sündenfall nicht fähig, immer und überall das Richtige zu tun. Er wird unweigerlich schuldig und braucht daher die Liebe Gottes, die ihm geschenkt wird und die allein es ihm ermöglicht, nun auch andere Menschen auf die richtige Weise zu lieben, im Sinne der Nächstenliebe eben.
    Heutzutage identifizieren sich zwar längst nicht mehr alle Menschen mit der christlichen Lehre vom Sündenfall. Aber auch wer diese Lehre nicht wörtlich nimmt, wird doch immer wieder erleben, dass er in Situationen kommt, in denen er anderen etwas schuldig bleibt. In denen er nicht so handelt, wie es den Idealen entspräche. Es gibt kein Leben ohne Versäumnisse, ohne Schuld, sosehr wir uns auch bemühen. Das ist die tiefe Wahrheit, die in der Geschichte vom Sündenfall steckt.
    Mit diesem Wissen bekommt der Satz »Liebe und tu, was du willst« eine andere Bedeutung. Auf die Liebe zwischen Menschen angewendet, bedeutet er nun: Bemühe dich auf jeden Fall, dem anderen gerecht zu werden, so gut es geht. Und es wird umso besser gehen, je mehr du spürst, geliebt zu werden, und je mehr du in deiner Liebe alles Egoistische, Selbstbezogene auszuklammern suchst. Ein schöner Kreislauf kommt da in Gang, einer, in dem wir Beschenkte und Schenkende zugleich sein können.
    Jedoch: Trotz bester Absichten läuft es nicht immer und überall so. Das zeigt die wohl tragischste Liebesgeschichte des Mittelalters, um die es im nächsten Kapitel gehen soll.

Das gescheiterte Traumpaar
    L ebten sie heute, so wären sie sicherlich das Traumpaar der Intellektuellenszene. Doch Abaelard und Héloïse waren Kinder des 12. Jahrhunderts, und damals galten andere Gesetze als heute, auch in der Liebe …
    Der Rittersohn Pierre Abaelard, im Jahr 1079 bei Nantes geboren, verzichtete auf das väterliche Erbe, um Wissenschaftler zu werden, und das bedeutete damals: Philosoph und Theologe. Wegen seiner fortschrittlichen Ideen überwarf er sich nacheinander mit den führenden Denkern seiner Zeit. In Paris sammelte er eigene Schüler (heute würden wir sagen: Studenten) um sich, weshalb man ihn als einen der Begründer

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