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Ein unbeschreibliches Gefuehl

Ein unbeschreibliches Gefuehl

Titel: Ein unbeschreibliches Gefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Schlueter
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Atome der Natur und, mit einem Worte, die Elemente der Dinge.« Sie sind unteilbar, weder herstell- noch vernichtbar, individuell (keine ist mit der anderen identisch), keinen mechanischen Einflüssen ausgesetzt und überhaupt ohne Kontakt mit ihrer Außenwelt. »Die Monaden haben keine Fenster«, lautet das bekannte Leibniz-Zitat. Und doch wirken sie in organismusähnlichen Aggregaten zusammen und ergeben dabei die sinnlich wahrnehmbaren Dinge dieser Welt. Wie ist das möglich?
    Leibniz spricht hier von »Perzeption«, das bedeutet Wahrnehmung oder besser: die Gesamtheit aller Wahrnehmungen. Jede Monade spiegelt an ihrem Platz und von ihrem Platz aus alle Gesamtzustände des ganzen Universums wider, die jemals waren, sind und sein werden. Das gesamte Universum mitsamt Vergangenheit und Zukunft bildet sich in den Wahrnehmungen jeder einzelnen Monade ab. Also kennt jede Monade den Zustand jeder anderen. Manche kennen ihn bewusst (dann heißt es Apperzeption), manche unbewusst (dann heißt es Perzeption). So gelingt es Leibniz auch, eine differenzierte Abstufung zwischen der Menschenseele, der Tierseele, Pflanzen und unbelebten Dingen zu begründen.
    Da jede Monade von ihrem Platz aus mit allen anderen Monaden zusammenwirkt, deren Zustand sie bewusst oder unbewusst kennt und spiegelt, muss das Zusammenspiel aller Monaden eigentlich perfekt klappen, denn alle sind ja aufeinander eingestellt. Leibniz nimmt das tatsächlich an und nennt diesen perfekten Zustand eine prästabilierte Harmonie, also eine Harmonie, die seit je eingerichtet ist – an der Stelle kommt dann Gott als Schöpfer ins Spiel. Wegen der von ihm garantierten prästabilierten Harmonie ist unsere Welt auch so gut eingerichtet, wie sie besser nicht sein könnte.
    Dieser Glaube an die »beste aller möglichen Welten« trieb dann in der auf Leibniz folgenden Philosophengeneration solche Blüten, dass es eine Naturkatastrophe brauchte, um die Gemüter wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen: Nachdem am 1. November 1755 ein Erdbeben mit Tsunami und Großbrand die Stadt Lissabon fast vollständig zerstört hatte und zwischen 30000 und 100000 Menschen in den Flammen oder Fluten umgekommen waren, wagte niemand mehr so recht von der bestmöglichen aller Welten zu sprechen. Drei Jahre später schickte denn auch der französische Autor Voltaire in seiner Satire »Candide« den Titelhelden mitten in dieses Desaster und durch eine Reihe weiterer Katastrophen und ließ ihn auf seinem Weg allen aufklärerischen Optimismus verlieren. »Man muss seinen Garten bestellen«, lautet die bescheiden-resignative Schlussfolgerung Candides/Voltaires. Doch das nur nebenbei.
    Wie nun erklärt Leibniz, der Begründer der Monadologie und Verfechter der prästabilierten Harmonie, die Liebe? Wenn die Monaden keine Fenster haben, haben dann wir, die aus Monaden zusammengesetzten Menschen, welche? Wie schon andere vor ihm ließ Leibniz sich vom Freundschaftsbegriff und dem darin enthaltenen Wohlwollen für den anderen inspirieren, das wir bereits von Aristoteles kennen. Infolgedessen unterschied er die Begierde als egoistische Spielart der Liebe von der Liebe des Wohlwollens. »Die erste Art der Liebe lässt uns unsere eigene Lust im Auge haben, die zweite die des anderen, indem sie aber gleichsam unsere eigene erzeugt oder besser ganz und gar begründet.« Die Lust des anderen begründet die eigene Lust: Den Spiegeleffekt, der zwischen den Monaden besteht, sieht Leibniz also auch zwischen den Menschen am Werk, die einander wohlwollend lieben – da strahlen das Glück und die Lust des Geliebten auf den Liebenden zurück und werden sein eigenes Glück, seine Lust.
    Leibniz’ Ansatz ist insofern ehrlich und realistisch, als er den wohlwollend Liebenden keinen Verzicht auf das eigene Wohlbefinden, keine absolute Uneigennützigkeit predigt. »Würde sie [die Liebe] nicht irgendwie auf uns zurückstrahlen, könnten wir nicht daran Anteil nehmen, denn es ist unmöglich, ganz entbunden zu sein vom eigenen Wohl (obwohl man es behauptet). So muss man die interesselose und nicht auf Lohn ausgehende Liebe verstehen, um deren Edelmut recht zu verstehen und dennoch nicht in Wahngedanken zu verfallen.« Liebe soll für die Beteiligten prinzipiell erst einmal Glück bedeuten, nicht Leiden. Und dieses Glück entzündet sich an dem des anderen und verstärkt es seinerseits wieder – ein wunderbares Wechselspiel. Leibniz beschreibt hier auf philosophische Weise das, was jeder Liebende

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