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Ein unbeschreibliches Gefuehl

Ein unbeschreibliches Gefuehl

Titel: Ein unbeschreibliches Gefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Schlueter
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Theorie angesehen …
    So bleibt letztlich nur die Schlussfolgerung: Wer liebt, muss das Risiko eingehen. Besser unglücklich lieben als überhaupt nicht, so würde hier das Motto lauten. Und heimlich, ganz heimlich verbände sich damit vielleicht doch die Hoffnung, es möge neben all den unglücklichen Liebesgeschichten hin und wieder auch ein Happy End geben.

Keiner liebt für sich allein – oder vielleicht doch?
    L iebe versus Freundschaft, geistige Liebe versus Wollust, Mystik hier und Anatomie der Liebe da: Die großen Linien waren vorgezeichnet, als in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts der letzte Universalgelehrte auf den Plan trat. Gottfried Wilhelm Leibniz, Physiker, Mathematiker, Ingenieur, Historiker, Philosoph, Diplomat, Bibliothekar und vieles mehr, hatte nach eigener Aussage »beim Erwachen schon so viele Einfälle, dass der Tag nicht ausreichte, um sie niederzuschreiben«. War er vielleicht deshalb nicht verheiratet – ein Umstand, der ihm sein Lebtag Wirtshauskost bescherte, die er auch weitgehend klaglos einnahm? Gut möglich, dass Sophia, Frau Weisheit, die erste Stelle in Leibniz’ Herz beanspruchte.
    Doch neben ihr hatte zumindest eine Reihe hochgestellter Frauen Platz, von denen zwei sogar den Namen der Weisheit trugen: nämlich die hannoversche Kurfürstin Sophie und ihre Tochter Sophie Charlotte, Kurfürstin und erste Königin von Preußen. In Sophie Charlottes Schloss Lützenburg bei Berlin, dem späteren Schloss Charlottenburg, verbrachte der hannoversche Hofrat die glücklichsten Stunden seines Lebens in philosophischem Gespräch. Die Hausherrin, bei deren frühem Tod Leibniz tief trauerte, verstand sich als seine Schülerin und unterstützte ihn mit ihrem beträchtlichen Einfluss bei seinen Projekten.
    Ein Einsiedler aus Neigung wie der etwas ältere Spinoza scheint Leibniz also nicht gewesen zu sein. Er brauchte den geistigen Austausch, den Dialog. Und charmant war er wohl auch. Das passt gut in die prächtige Kulisse des sinnlichen und dabei formbewussten Barockzeitalters, da die Herren mit Allongeperücken und rotgefärbten Absätzen tiefdekolletierte Damen umschmeichelten, die ihrerseits mit Schönheitspflästerchen, den sogenannten Mouches, ihre Reize noch betonten. Einmal, so besagt eine Anekdote, soll Leibniz auf einem Ball einer holsteinischen Prinzessin angeboten haben, für sie »ein Integral zu lösen«. Die Dame freilich konnte sich unter der mathematischen Bezeichnung nur etwas Anzügliches vorstellen und wies ihn empört zurück. Missverständnisse scheint es auch zwischen ihm und einer anderen Frau gegeben zu haben, die er wohl ernsthaft zu heiraten gedachte. Auf Leibniz’ Antrag hin bat die Frau sich Bedenkzeit aus, was ihn so verärgerte, dass er seine Werbung mit den Worten zurücknahm: »Ich dachte immer, es ist zu früh zum Heiraten, aber nein, in Wirklichkeit ist es zu spät.«
    Sind derlei Missverständnisse System? Leibniz würde vermutlich entschieden widersprechen, aber es fällt doch auf, dass im Innersten seines Weltenmodells eine Einsamkeit und Getrenntheit jedes von jedem besteht, die als philosophisches Pendant zu solchen Anekdoten gelten kann. Worum geht es? Es geht, wie schon bei Descartes und Spinoza, um die Substanz und um das, was das Innerste der Welt ausmacht. Die Frage nach dem »Sein«, nach dem, was ist und wodurch es ist, bewegte nach wie vor die abendländische Philosophie. Leibniz kannte die Lösungen von Descartes (»zwei Substanzen«) und Spinoza (»eine Substanz«). Er hatte den von ihm bewunderten Spinoza sogar einmal in Den Haag besucht, als jener schon von der Lungenkrankheit gezeichnet war. Später freilich war der Hannoveraner sich nicht zu schade, Spinoza um der eigenen Position willen in Briefen an Freunde zu verleumden und zu behaupten, er sei jenem überhaupt nur einmal bei einem offiziellen Anlass über den Weg gelaufen. Doch, wie gesagt, als Philosoph lebte man damals ja auch nicht ungefährlich, und den Verdacht, ein Freigeist zu sein, konnte sich niemand wirklich leisten.
    Die Frage nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, hat Leibniz nun auf seine eigene Weise zu lösen versucht: Substanz, so sagt er gegen Descartes, kann nicht ausgedehnt sein, denn dann könnte man sie teilen. Die kleinste Einheit der Substanz ist daher durch Wirksamkeit definiert. Sie ist ein Kraftpunkt. Leibniz nennt diese kleinste Einheit »Monade« (von »monos«, griechisch »allein, einzig«): »Die Monaden sind also die wahrhaften

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