Ein unbeschreibliches Gefuehl
selbst erlebt. Man fühlt sich auch ein wenig an die mystische Liebe erinnert, bei der sich der liebende Mensch selbst verliert, um sich im anderen (damals: Gott) wiederzufinden.
Und doch bleibt ein merkwürdiger Rest, etwas, das nicht aufgeht. Denn Spiegelung und Rückstrahlung sind eben keine Kommunikation. Die Monaden öffnen sich nicht wirklich. Sie bilden ja nur ab, was ringsherum und im ganzen Universum geschieht. Wie sagte Leibniz: Sie haben keine Fenster! Mit Leibniz bleibt jeder Liebende doch für sich und auf die eigene Wahrnehmung beschränkt. Liebe ist in diesem System letztlich Selbstbezogenheit. Und außerdem: Wenn im Bewusstsein und damit auch im Miteinander der Menschen lediglich abgebildet wird, was seit je ist, wo bleibt dann der Raum für Neues, für Kreativität und Wagnisse? In der prästabilierten Harmonie ist ja doch alles schon vorgegeben? Nein, widerspricht Leibniz da, es findet durchaus Entwicklung statt. Aber sie bedeutet nicht, dass etwas grundlegend Neues entsteht, sondern dass etwas bereits Vorhandenes sich entfaltet.
Es bleibt also vertrackt mit dem Modell des Hannoveraner Gelehrten. So ganz kommt man mit ihm aus der Selbstbezogenheit, aus der Isolation nicht heraus. Auch wenn der Gedanke, dass Liebende einander ihr Glück spiegeln und dadurch vermehren, an sich schön ist: Letztlich bedeutet eine Spiegelung doch keine echte Kommunikation, kein Wagnis von grundlegend Neuem, kein aneinander Wachsen.
Aber vielleicht hat Leibniz gerade darin ja recht? Vielleicht sind wir ja wirklich auf die von ihm beschriebene Weise in uns selbst gefangen und können umso besser miteinander umgehen, je mehr wir das akzeptieren? Dass wir in unserer Wahrnehmung und unserer Erkenntnisfähigkeit niemals von uns selbst und den uns auferlegten Beschränkungen absehen können, dass es also, mit einem Wort, reine Objektivität nicht gibt, das hat ja hundert Jahre nach Leibniz ein anderer, mindestens ebenso großer Gelehrter namens Immanuel Kant ein für alle Mal klargestellt. Wir können nicht von uns selbst abstrahieren, auch in der Liebe nicht. Und auf neuronaler Ebene sind wir ja sogar mit der Fähigkeit ausgestattet zu spiegeln, wie man seit der Entdeckung der sogenannten Spiegelneurone weiß. Versuchen wir also zumindest, gute Spiegel zu sein! Leibniz würde sagen, dass es sich lohnt.
Der beste Sex findet im Kopf statt
E s wird Zeit für das Vergnügen! Nach so viel Grundsätzlichem, nach Reflexionen über die Substanz und die Gottesliebe, nach Skepsis und Ironie in Sachen Liebe wäre es doch schön, mal eine unbeschwerte Stimme zu hören, eine, die eher auf das Heitere, Leichte abzielt. Diese Stimme begegnet uns in Voltaire. Wir haben François Marie Arouet, wie er eigentlich hieß, bereits als Autor des Spottromans »Candide« kennengelernt. Wie er dachte und wie er vor allem sein Leben führte, wird aus den folgenden Worten deutlich: »Das Vergnügen ist etwas Göttliches, und ich bin der Meinung, dass jemand, der einen guten Tokaier trinkt, der eine schöne Frau küsst, mit anderen Worten, der angenehme Empfindungen hat, ein wohltätiges höchstes Wesen anerkennen muss.«
Dem Vergnügen war der 1694 geborene Notarsohn Voltaire sein unstetes Leben lang hold. Er wechselte die Orte wie die Frauen, unterhielt Affären mit Marquisen, Bürgerstöchtern und Halbweltdamen, mit den Frauen seiner Freunde und lebte schließlich mit seiner eigenen Nichte zusammen. Die bekannteste seiner Freundinnen war die Mathematikerin Émilie du Châtelet, mit der Voltaire von 1733 bis 1749 liiert war. Er hat sie einmal als eine »Mischung aus Philosophin und Schafhirtin« bezeichnet. Das muss als Kompliment verstanden werden. Denn die Schäferei war damals, zur Zeit des Rokokos, Mode. Man kleidete sich ländlich, ging hinaus in die Natur und spielte dort »Blindekuh«. Oder man inszenierte mythologische Geschichten aus der Antike, die alle eines zum Inhalt hatten: die Liebe. Die Natur galt, ebenso wie die Antike, als Hort der Unschuld und Idylle. Eine Schafhirtin zu sein bedeutete also, besonders naturverbunden zu sein und an der Unschuld teilzuhaben. Dass Voltaires Freundin verheiratet war, störte dabei nicht. Ehen wurden in hohen Adelskreisen nicht aus Liebe geschlossen. Mit drei Kindern hatte die Marquise du Châtelet ihre Pflichten außerdem erfüllt und konnte sich, im Rahmen der gültigen Konventionen, Affären erlauben.
Émilie du Châtelet starb 42-jährig im Kindbett, nachdem sie von einem anderen Mann als
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