Ein unbezaehmbarer Verfuehrer
prunkte in rosa Marmor und Gold. An einer marmorweiß schimmernden Statue der Diana samt Jagdhunden vorbei folgten sie dem Mädchen in einen eleganten Salon.
„Ausgezeichnet", fand Alistair. „Bitte lassen Sie sich von uns nicht von Ihren Pflichten abhalten. Wir führen uns selbst ein, sowie meine Gattin hier fertig ist."
Das Mädchen knickste hastig und huschte davon. Gewiss gab es bei einem Lunch zu Ehren des Königs für alle Bediensteten reichlich zu tun.
„Warte hier auf mich", sagte Alistair, drückte Helen einen Kuss auf die Lippen und wollte wieder gehen.
Blieb dann aber wie angewurzelt stehen.
„Was ist?", fragte Helen.
Neben der Tür hing ein mannshohes Gemälde an der Wand — das Bildnis eines jungen Mannes.
„Nichts", murmelte er, noch immer das Gemälde anschauend. Er schüttelte den Kopf und drehte sich nach ihr um. „Bleib hier. Ich komme und hole dich, sowie ich mit Lister geredet habe. Einverstanden?"
Kaum hatte sie genickt, verließ er auch schon das Zimmer.
Helen schloss die Augen und atmete tief durch, sie versuchte sich zu beruhigen. Sie hatte Alistair darin zugestimmt, dass es das Beste sei, wenn er allein mit Lister redete. So hatten sie es abgemacht, da konnte sie es sich jetzt nicht noch anders überlegen. Sie würde warten und es Alistair überlassen, den Duke zur Einsicht zu bewegen. Nur leider war es so schwer, einfach nur zu warten.
Sie öffnete die Augen wieder und sah sich im Salon um, suchte etwas, womit sie sich ablenken könnte. Elegante, zerbrechlich aussehende Stühle standen in kleinen Gruppen beisammen, die weißen Lehnen goldverziert. An den Wänden reihten sich große Ahnenbildnisse, Gestalten in Roben längst vergangener Zeiten, doch das eindrucksvollste Bildnis war jenes des jungen Mannes, das Alistair eben hatte innehalten lassen. Helen trat näher und nahm es in Augenschein.
Es zeigte einen jungen Mann, der für die Jagd gekleidet war. Seinen Dreispitz hielt er lässig in der Hand, die in Gamaschen steckenden Beine kreuzte er über den Knöcheln. Er lehnte an einem riesigen Eichenbaum, in einem Arm ein Jagdgewehr. Zu seinen Füßen lagen zwei gefleckte Jagdhunde, die bewundernd zu dem jungen Mann aufblickten.
Helen konnte den verehrenden Blick der Hunde verstehen. Der Mann sah so gut aus, dass er fast schon hübsch zu nennen war, die Wangen glatt und makellos, das Gesicht strahlte in der Blüte des jungen Mannesalters. Seine Lippen waren sinnlich und weich, leicht nach oben geschwungen, als unterdrücke er ein Lächeln. Die schwarzen Augen unter den schweren Lidern schienen den Betrachter anzulachen, ihn einzuladen, in einen frivolen Scherz einzustimmen. Seine ganze Gestalt war so voller Kraft und Leben, dass man fast erwartete, er käme einem gleich aus dem Bild entgegengesprungen.
„Faszinierend, nicht wahr?", sagte eine Stimme hinter ihr.
Erschrocken fuhr Helen herum. Sie hatte gar nicht gehört, dass jemand in den Salon gekommen war — obwohl sie doch gleich neben der Tür stand.
Doch die junge Dame war durch eine seitliche, gut verborgene Paneeltür getreten. Sie knickste. „Ich bin Beatrice Corning."
Auch Helen machte einen Knicks. „Helen Fitzwilliam." Blieb zu hoffen, dass die junge Frau mit diesem Namen nichts anzufangen wusste.
Miss Corning hatte ein frisches, offenes Gesicht mit ein paar Sommersprossen. Ihre hellgrauen Augen blickten klug und klar, ihr Haar war weizenblond und auf dem Kopf zu einem schweren Dutt zusammengesteckt. Glücklicherweise schien sie es nicht eilig zu haben, Helen aus dem Haus werfen zu lassen.
„Ich fand es schon immer faszinierend", meinte sie mit Blick auf das Bildnis. „Er sieht aus, als belustige ihn etwas. Er scheint völlig zufrieden mit sich und der Welt, meinen Sie nicht auch?"
Helen sah sich kurz nach dem Bild um und lächelte. „Wahrscheinlich schlägt er alle Damen in seinen Bann."
„Früher vielleicht, aber jetzt nicht mehr", kam die Erwiderung.
Fragend schaute Helen die junge Frau an. „Warum nicht?"
„Das ist Reynaud St. Aubyn, Viscount Hope", klärte Miss Corning sie auf. „Er trüge jetzt den Titel, wäre er nicht in den amerikanischen Kolonien beim Massaker von Spinner's Falls von Indianern getötet worden. In gewisser Weise sollte ich wohl dankbar sein, dass es so gekommen ist — mein Onkel wäre sonst nie der Earl of Blanchard geworden, und ich würde nicht in Blanchard House leben. Aber ich bringe es nicht über mich, angesichts seines Todes Dankbarkeit oder sogar Freude zu
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