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Ein unbezaehmbarer Verfuehrer

Titel: Ein unbezaehmbarer Verfuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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Westen. Ich habe in kristallenen Gemächern gelebt, Kleider aus gesponnenem Gold und Silber getragen und jeder Wunsch wurde mir von den Lippen abgelesen."
    Wahrsprecher runzelte die Stirn. „Aber warum ...?"
    „Sei still. " Die Prinzessin neigte sich lauschend vor. „Dein Herr kommt. Er hat die Schwalben eingefangen, und wenn er dich mit mir reden sieht, wird sein Zorn maßlos sein."
    Und Wahrsprecher blieb keine andere Wahl, als in die Burg zurückzukehren und die Prinzessin in Gefangenschaft zurückzulassen ...
    Aus „Der Wahrsprecher"
    A m Nachmittag war Helen so müde, dass sie am liebsten einen Mittagsschlaf gemacht hätte. Abigail
    und Jamie schienen von ihrem morgendlichen Abenteuer nicht die Spur erschöpft zu sein. Ganz im Gegenteil: Eben waren sie voller Feuereifer aufgebrochen, um mit Miss Munroe und Miss McDonald bei einem Spaziergang nach Dachsbauten Ausschau zu halten. Helen jedoch gähnte herzhaft, als sie die Stufen zu Sir Alistairs Turm hinaufstieg.
    Seit heute Morgen hatte sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Den ganzen Tag über hatte er sich oben in seinem Turmzimmer verschanzt; so langsam war sie mit ihrer Geduld am Ende. Was hatten diese Küsse bedeuten sollen? Waren sie bloßes Spiel für ihn gewesen? Oder — schrecklicher Gedanke! — hatte er so schnell das Interesse verloren? Nachdem sie den halben Tag schon von solchen Fragen geplagt worden war, wurde es nun Zeit, nach Antworten zu suchen.
    Und so hatte sie beschlossen, ihm Tee und Gebäck selbst zu bringen.
    Die Tür zum Turmzimmer war nur angelehnt, und statt zu klopfen, stieß Helen sie einfach mit der Schulter auf. Sie öffnete sich lautlos. Sir Alistair saß an seinem gewohnten Tisch; er schien sie nicht zu bemerken. Still stand Helen da und beobachtete ihn. Er hatte den Kopf über ein Blatt Papier gebeugt und zeichnete.
    Mit seiner verstümmelten rechten Hand.
    Er hielt den Stift mit Daumen, Ring und Mittelfinger, die Hand ungelenk gekrümmt. Allein der Anblick ließ Helens eigene Hand vor Mitgefühl schmerzen, doch er bewegte die seine scheinbar mühelos. Mit kleinen, präzisen Bewegungen fuhr der Stift über das Blatt. Offensichtlich hatte er viel Übung, er schien seine Hand schon seit Jahren so zu benutzen. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es für ihn gewesen war, mit einer verstümmelten Hand aus den Kolonien zurückzukehren und das Zeichnen neu erlernen zu müssen. Und das Schreiben. Empfand er es als Demütigung, sich in einer Fertigkeit zu üben, die er als Schuljunge längst beherrscht hatte? Hatte es ihn entmutigt?
    Keine Frage, dass es ihn entmutigt haben musste. Helen lächelte. Mittlerweile kannte sie Sir Alistair gut genug, um zu ahnen, welchen Kampf er ausgefochten, wie viele Griffel und Federn er zerbrochen, wie viel Papier er in unsäglichem Verdruss zerrissen hatte. Doch er machte weiter, stur und beharrlich, bis die wunderbaren Zeichnungen in seinem Buch vollendet waren. Den praktischen Beweis sah sie nun vor sich: einen Gelehrten, der, allen Widrigkeiten zum Trotz, unermüdlich an seinem Manuskript arbeitete.
    Sie riss sich von seinem Anblick los und trat ins Zimmer — da fluchte er auch schon und ließ den Stift fallen.
    „Was ist?", fragte sie besorgt.
    Jäh sah er auf und warf ihr einen düsteren Blick zu. „Nichts, Mrs Halifax. Sie können den Tee dort auf den Tisch stellen."
    Sie setzte das Tablett ab, dachte aber gar nicht daran, sich gleich wieder fortschicken zu lassen. „Haben Sie sich wehgetan?", fragte sie und eilte zu ihm.
    Grimmig rieb er sich die Hand und brummelte wenig Einnehmendes über Frauen, die partout nicht hören wollten.
    Seufzend griff sie nach seiner Hand, was ihn so sehr verdutzte, dass er mit einem Schlag verstummte. Sein Zeigefinger war ein rot vernarbter Stummel, der kleine Finger oberhalb des ersten Glieds abgetrennt worden. Die beiden verbliebenen Finger waren lang und kräftig, die Kuppen etwas breiter mit wohlgeformten Nägeln. Schöne Finger an einer vermutlich einst sehr schönen Hand. Helen stockte der Atem vor Kummer. Warum nur war etwas so Schönes so grausam zerstört worden?
    Sie schluckte und meinte mit rauer Stimme: „Ich kann nicht sehen, wo Sie sich verletzt haben."
    Scharf sah er sie an, und entsetzt erkannte sie ihre Taktlosigkeit. „ Jetzt , meine ich."
    Er schüttelte den Kopf. „Ich habe mich nicht verletzt. Es war nur ein Krampf."
    Er wollte seine Hand zurückziehen, doch sie hielt sie fest. „Ich will gleich nachsehen, ob Mrs McCleod Ihnen eine

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