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Ein unbezaehmbarer Verfuehrer

Titel: Ein unbezaehmbarer Verfuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hoyt
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noch ein kleines Kind."
    „Und war das der einzige Grund, weshalb er dich mitgenommen hat?", fragte er sanft. „Weil du als Einziges seiner Kinder Interesse an seiner Arbeit hattest?"
    „Nein, das war nicht der einzige Grund."
    Sie fuhren durch einen kleinen Weiler, vorbei an alten, verwitterten, steinernen Häuschen, die aussahen, als hätten sie schon seit Jahrhunderten so dagestanden — unveränderlich, unberührt von der Welt, die draußen vorbeizog.
    „Mein Vater muss mich geliebt haben", fuhr Helen nachdenklich fort. „Natürlich hat er uns alle geliebt, aber ich war für ihn irgendwie besonders. Er hat mich mit auf seine Patientenbesuche genommen, hat mir die Krankengeschichte jedes Einzelnen erklärt — die Symptome, seine Diagnose, die Behandlung und ob sie gut anschlug oder nicht. Und manchmal, wenn wir spät nach Hause kamen und die anderen längst im Bett waren, hat er mir noch Geschichten von Göttern und Fabelwesen, von Elfen, Feen und Zauberern erzählt. Solche Geschichten habe ich ihn nie den anderen vortragen hören."
    Sie passierten das letzte Haus des Dorfes; Helen sah eine Frau im Garten Blumen schneiden.
    Leise, wie zu sich selbst, fuhr sie fort: „Eine seiner liebsten Geschichten war die der schönen Helena, auch wenn sie mir nicht so gut gefiel, da das Ende so traurig war. Er hat mich immer mit meinem Namen geneckt. Ich solle nur sehen, hat er gemeint, eines Tages wäre ich genauso schön wie Helena. Aber ich solle mich hüten, denn Schönheit sei nicht immer ein Geschenk. Manchmal bringe sie Kummer und Leid. Damals habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht, aber er hatte recht."
    „Warum bittest du nicht ihn um Hilfe?", fragte Alistair.
    Gedankenverloren sah sie ihn an, musste an ihren Vater denken mit seiner grauen Perücke, daran, wie seine blauen Augen blitzten, wenn er sie wegen der schönen Helena aufzog, und dann erinnerte sie sich, wie sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. „Weil er auch mit im Zimmer war, als ich das letzte Mal mit meiner Mutter gesprochen habe und sie mich ein billiges Flittchen schimpfte und mir mitteilte, ich gehöre nicht länger zur Familie. Er hat nichts dazu gesagt. Er hat sich einfach von mir abgewandt."
    Es ist alles meine Schuld, dachte Abigail, während sie Mr Wiggins beobachtete, der in der Ecke der Kutsche des Dukes laut vor sich hinschnarchte. Sie hätte Mama sagen sollen, dass Mr Wiggins wusste, dass sie die Kinder des Dukes waren, weil Jamie ihr Geheimnis vor dem grässlichen kleinen Mann herausposaunt hatte. Jamie konnte ja nichts dafür. Er war noch zu klein, um zu verstehen, warum sie das niemandem erzählen durften. Jetzt hatte er sich dicht an sie gedrängt und zusammengerollt, das Gesicht ganz erhitzt vom vielen Weinen, die Haare verschwitzt. Der Duke hatte Jamies Geheule nicht länger ertragen und war beim letzten Rasthaus auf ein Pferd umgestiegen, um neben der Kutsche herzureiten.
    Abigail strich ihrem schlafenden Bruder übers Haar; er gab einen komischen kleinen Laut von sich und kuschelte sich noch enger an sie. Er konnte ja nichts dafür, dass er weinen musste. Er war schließlich erst fünf und vermisste Mama ganz fürchterlich. Das sagte er zwar nicht, aber Abigail wusste, dass er sich genauso wie sie fragte, ob sie Mama wohl jemals wiedersehen würden. Nachdem der Duke weg war, hatte Mr Wiggins Jamie angeschnauzt, dass er endlich Ruhe geben solle. Sie hatte Angst gehabt, dass er sich gleich auf ihren Bruder stürzen und ihn schlagen würde, aber zum Glück war Jamie schon so müde und erschöpft gewesen, dass er eingeschlafen war.
    Sie schaute zum Fenster hinaus. Draußen zogen grüne Hügel vorbei, auf denen hier und da weiße Schafe standen, wie von einer riesigen Hand hingetupft. Vielleicht würden sie Mama wirklich nie wiedersehen. Der Duke hatte kaum ein Wort mit ihnen gesprochen, nur einmal hatte er zu Jamie gesagt, er solle aufhören zu heulen. Aber sie hatte gehört, wie er Mr Wiggins und dem Kutscher befohlen hatte, geradewegs nach London zurückzukehren. Ob sie dann wohl bei ihm in seinem großen Haus leben würden?
    Abigail zog die Nase kraus. Nein, bestimmt nicht. Sie waren ja unehelich. Uneheliche Kinder gehörten verborgen, die lebten nicht bei ihren Vätern. Er würde sie also irgendwo verstecken. Da würde Mama es schwer haben, sie zu finden. Aber vielleicht würde Sir Alistair ihr ja helfen. Doch, das würde er bestimmt! Obwohl sie nicht auf Puddles aufgepasst und er auf Sir Alistairs Tasche gepinkelt hatte,

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