Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
Schweigens. Dann vernahm Esme wie aus weiter Ferne Helenes Stimme, die allen befahl, sich auf ihre Zimmer zurückzuziehen. Nur kurz dachte sie an Sebastian, doch in diesem Moment schlug Miles die Augen auf. Er schaute einen Augenblick zu Lady Childe auf, und Esme stockte der Atem bei dem Ausdruck, den sie in seinen Augen gewahrte.
Lady Childe legte ihm eine Hand an die Wange. »Nicht sprechen, Liebster!«
Esme sah, dass sämtliche Farbe aus seinem Gesicht gewichen war.
»Vergewissern Sie sich, dass nach einem Arzt geschickt wurde«, flüsterte Lady Childe.
Esme sprang auf und stieß die Tür auf. Sebastian stand davor und schaute so grimmig, als hielte er Wache. Sie wich vor ihm zurück. »Was tust du hier?«, zischte sie.
»Ich warte, um zu sehen, ob Lord Rawlings sich wieder erholt.« Sein Gesicht war kreideweiß.
»Wir brauchen einen Arzt!«, rief Esme wütend.
»Ein Zweispänner ist bereits auf dem Weg«, sagte Sebastian. »Darf ich … ?«
Doch sie ertrug es nicht, ihn anzuhören. Mit einem leisen Knarren schloss sie die Tür.
Miles blickte wieder Lady Childe an. Im Zimmer war es so still, dass Esme anfing, seine Atemzüge zu zählen. Er atmete langsam und mit sichtlicher Anstrengung.
»William«, flüsterte er mit rauer Stimme.
»William? Wen meint er damit?«, fragte Esme.
»Das Kind«, erklärte Lady Childe. Ihre Hand streichelte Miles’ Wange. »Wir werden deinen Sohn William nennen. Mach dir keine Sorgen deswegen, Liebster! Bleib nur bei uns, bis der Arzt eintrifft!«
Esmes Augen füllten sich mit Tränen. »Er ist doch nicht … er wird doch nicht … «
Miles barg sein Gesicht an Lady Childes Busen. Sie streichelte ihn weiter und küsste ihn auf die Stirn. »Es wird alles gut, mein Liebling«, sagte sie mit einer Stimme wie sanft rieselndes Wasser. »Ich liebe dich.«
Miles schien etwas sagen zu wollen.
Sie bedeutete ihm zu schweigen. »Ich weiß, dass du mich liebst, Miles. Natürlich weiß ich das. Und ich liebe dich auch.« Sie zog ihn enger an ihren Busen. »Wir nennen ihn William, und ich sorge dafür, dass er von dir erfährt, Liebling. Ich werde ihm alles über dich erzählen.«
Esme umklammerte die Hand, die sie in der ihren hielt. »Ich werde William niemals allein auf dem Lande lassen und mich in London amüsieren, Miles. Ich nehme ihn überallhin mit.«
Sie wusste nicht, ob er sie hören konnte. Es kam ihr nicht recht vor, bei den beiden sitzen zu bleiben, daher stand sie auf und trat ans Fenster. Sie schlug den schweren Vorhang zurück und blickte hinaus, den Rücken dem Paar am Boden zugewandt. Im Haus herrschte Unruhe, sie hörte Schritte und laute Stimmen.
Warum war Sebastian nur in ihr Zimmer gekommen? Esme schloss die Augen. Offensichtlich hatte er vorgehabt, ihr einen zärtlichen Überraschungsbesuch abzustatten. Ihr Herz klopfte vor Scham, Kummer und Schmerz. Ihr Liebhaber war in ihr Zimmer gekommen, und deshalb lag ihr Ehemann nun im Sterben.
Es war sehr früh am Morgen. Weiße Nebelschwaden tanzten über Lady Troubridges Rasen und hingen in den Rosenbüschen, bis die wärmenden Strahlen der Sonne sie auflösen würden.
Der Himmel nahm bereits eine zartrosa Färbung an, als Lady Childe aufstand und neben Esme ans Fenster trat.
Esme warf einen raschen Blick über die Schulter. Miles sah aus, als schliefe er friedlich, abgesehen davon, dass er dabei auf dem Fußboden lag.
»Ich bin nicht sicher, ob ich tatsächlich schon guter Hoffnung bin«, gestand sie. Ihre Kehle schmerzte, weil sie die Tränen mit aller Macht unterdrückte. »Ich fürchte, dazu reicht eine Nacht nicht aus.«
»Das mag sein. Miles hat nie viel von den Mysterien der Fortpflanzung verstanden, aber der Gedanke hat ihn beruhigt.«
»Nun gut!« Esme legte eine Hand auf ihren Bauch und wünschte sehnlichst, dass sich ein kleiner William dort eingenistet haben möge.
»Gestern Nacht … «, begann sie stockend.
»Es spielt keine Rolle für mich«, sagte Lady Childe. Ihr Gesicht war vollkommen ruhig, sie schien keine Träne vergossen zu haben. Esmes Augen hingegen waren geschwollen.
»Aber für Miles hat es eine Rolle gespielt«, beharrte Esme. »Es war nicht einfach für ihn. Er ist sich wie ein Ehebrecher vorgekommen. Er konnte nicht … es musste ganz dunkel sein.« Tränen rannen ihr über die Wangen. »Er hat Sie so geliebt!«
»Ja, das hat er«, stimmte Lady Childe zu. Jetzt bemerkte Esme den ersten Riss in ihrer ruhigen Gefasstheit. »Und ich … und ich habe ihn auch … «
Sie war
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