Ein unerhörter Ehemann (German Edition)
beiden seitlichen Nahtstellen.
Schließlich gesellte sich Gina zu ihm ans Fenster. »Und? Ist sie unschätzbar wertvoll?«
»Ich glaube nicht«, gab Cam zu. »Die Initialen des Künstlers – FF – sind mir unbekannt.« Er zeigte ihr die Stelle am Fuß, wo die Buchstaben eingraviert waren. »Trotzdem ist sie ein wunderschönes Stück. Siehst du, wie sie ihren Arm hochhält, sodass er fast ihre Augen verbirgt? Und beachte ihr Haar, das wie ein Wasserfall den Rücken hinabfließt. Es ist extrem schwierig, solche Feinheiten mit Alabaster zu formen.«
»Ich wusste ja, dass sie nicht wertvoll ist«, sagte Gina böse.
»Ihre Machart ist tatsächlich ungewöhnlich, das ist dir ja auch schon aufgefallen. Es sieht aus, als wäre sie aus zwei Stücken zusammengefügt. Ehrlich gesagt habe ich noch nie etwas so Passgenaues gesehen. Die Verbindung scheint fast nahtlos zu sein.«
Gina nahm die Figur wieder in die Hand. »Ich mag ihr Gesicht.«
»Ich für meinen Teil mag ihren Körper.«
»Sie macht einen verlegenen Eindruck. Ich glaube, sie schämt sich ihrer Nacktheit.«
»Ich glaube, dies ist die Szene, in der sie aus Vulkans Bett flieht. Sie ist von ihrem Ehemann ertappt worden und wirft noch einen letzten Blick auf den Liebhaber. Aphrodite wird entweder als Schaumgeborene oder als Flüchtige aus Vulkans Schlafzimmer dargestellt. Hier hat der Künstler die zweite Situation im Sinn gehabt, denn sie schaut über ihre Schulter zurück.«
»Das ist ja großartig !« Ginas Stimme klang bitter. »Meine Mutter schenkt mir die Figur einer nackten Frau, die Ehebruch begangen hat!«
Cams große Hand umschloss ihre und hob die kleine Statue in die Sonne, die durchs Fenster hereinschien. »Deine Mutter hat dir etwas sehr Schönes geschenkt.«
Gemeinsam betrachteten sie die Figur. Die Sonne ließ den rötlichen Alabaster erglühen, als ob unter der Haut der Aphrodite Blut flösse.
»Du glaubst, sie schaut sehnsüchtig zu ihrem Geliebten zurück. Ich aber glaube, dass sie traurig ist, weil sie ihren Ehemann betrogen hat.«
Cams Mund verzog sich zu einem ironischen Grinsen. »Meine moralische Herzogin! Um Himmels willen, Weib, lass sie doch los!« Und mit einem entnervten Stöhnen entwand er die kleine Figur Ginas Händen. »Sie hat wunderschöne Hüften. Es ist eine Sünde, sie zu bedecken.«
»Hast du Aphroditen wie diese schon gemacht?«, fragte Gina.
Cam schüttelte den Kopf. »Marissa ist viel üppiger als sie, und zwar hier … und hier.« Er deutete auf die Brüste der Göttin und ihre Schenkel.
Ginas Mund bildete eine schmale Linie. »Vielleicht könntest du eine Aphrodite für mich machen«, schlug sie vor. »Dann hätte ich eine Statuette von den beiden Menschen, die ich … « Sie brach ab.
»Die du was?«, fragte er.
»Von den beiden Menschen, mit denen ich verwandt bin«, sagte sie leichthin.
»Das war aber nicht das, was du ursprünglich sagen wolltest«, stellte Cam fest.
Gina zuckte die Achseln. »Ich habe eine Mutter, die aber nicht meine richtige Mutter ist, und einen Ehemann, der doch nicht mein Mann ist. Ich finde es nur so merkwürdig, dass ich ausgerechnet von euch beiden nackte Figuren geschenkt bekomme. Erinnerst du dich an den nackten Amor, den du mir zum einundzwanzigsten Geburtstag geschickt hast? Wenn du mir eine Aphrodite meißelst, die den Wellen entsteigt, dann hätte ich ein Pärchen.«
»Dein Zukünftiger wird begeistert sein«, sagte Cam spöttisch. »Dein Schlafzimmer wird aussehen wie ein edles Bordell.«
Gina stellte die Statuette mit einem leisen Klirren ab. »Unser Schlafzimmer«, berichtigte sie ihn. Dann wurde sie rot. »Ich meinte nicht unseres im Sinne von deinem und meinem, sondern ich meinte Sebastians und mein Zimmer.« Sie wandte sich hastig ab, damit er nicht sah, wie ihre Wangen glühten. »Findest du nicht, dass wir wieder zum Hauskonzert gehen sollten?«
»Willst du mir etwa einreden, dass du mit dem biederen Marquis ein Schlafzimmer zu teilen gedenkst?«
»Natürlich. Und ich wüsste es sehr zu schätzen, wenn du meinen Verlobten nicht mit kränkenden Attributen belegen würdest. Kommst du?«
»Wir dürfen die Aphrodite nicht hierlassen. Der Dieb könnte zurückkommen. Eigentlich sollte sie sicher in Lady Troubridges Safe verwahrt werden, neben deinen Smaragden.«
»Mir wäre lieber, Lady Troubridge wüsste nichts von ihrer Existenz. Und was den Dieb angeht: Wenn er es überhaupt auf die Statue abgesehen hatte, dann hat er mittlerweile sicherlich aufgegeben.«
Cam
Weitere Kostenlose Bücher