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Ein unerhörtes Angebot

Ein unerhörtes Angebot

Titel: Ein unerhörtes Angebot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MARY BRENDAN
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nickte und brachte ein dankbares Lächeln zustande. Sie war im Begriff, Betty herbeizurufen, da steckte die junge Bedienstete schon den Kopf zur Tür herein, die sie indes sichtlich bemüht war, nicht mehr als einen Spaltbreit zu öffnen.
    „Was ist los, Betty?“, fragte Helen beunruhigt.
    Mit verstörter Miene betrat Betty den Raum und wollte die Tür hinter sich schließen. Es gelang ihr nicht, da jemand sich mit so viel Kraft von außen dagegenstemmte, dass die Tür aufflog, und Betty stolperte. Im nächsten Moment stürzte ein stämmiger Mann in braunem Gehrock in den Salon, den Hut unter seinen Arm gequetscht.
    „Ist er das?“, verlangte Samuel Drover mit lauter Stimme zu wissen, ohne sich vorzustellen oder sein empörendes Eindringen zu erklären. Er wies mit dem Finger drohend auf Jason. „Ist er das?“, fragte er noch drohender. Sein kahler Kopf war leicht nach vorn geneigt, als sei ihm danach zumute, dem anderen Mann mit eben diesem Kopf einen Stoß in den Magen zu versetzen.
    Helen war stumm vor Entsetzen.
    „Ich habe ihm gesagt, dass Sie Besuch haben, Ma’am“, verteidigte Betty sich kläglich, als sie die Bestürzung ihrer Herrin bemerkte. „Aber der hört ja nicht zu. Ist einfach an mir vorbeigeprescht … ungehobelter …“
    Samuel Drover blieb völlig unberührt von dieser Verunglimpfung seiner Person. „Ist das die arme Kirchenmaus?“, fuhr er mit beißendem Spott fort und beäugte die eindrucksvolle Gestalt des Gentleman am Kamin, der seinen Blick mit leichter Verblüffung erwiderte. „Ich muss sagen, der guckt nich’ aus der Wäsche, als könnte er sich nix zu essen kaufen.“ Mr. Drover unterzog Jason einer abschätzenden Musterung. „Ich wette, dieser Bursche wär in der Lage, mir sofort meine dreiundfünfzig Pfund, zwei Shillinge und fünf halbe Pennys in die Hand zu drücken.“ Damit zog der Lebensmittelhändler eine Rechnung aus seiner Rocktasche und ging zielstrebig auf Jason zu.
    Nun erwachte Helen endlich aus ihrer Erstarrung. „Mr. Drover, bitte warten Sie im Foyer auf mich“, verlangte sie mit leicht zitternder Stimme. „Ich werde …“ Doch Samuel Drover ließ sich nicht aufhalten.
    Hastig stellte Helen sich zwischen den feindseligen Händler und die muskulöse Gestalt des neuen Besitzers von Westlea House, so, als wollte sie ihn vor einem Angriff schützen oder davor, ausgeraubt zu werden. „Mr. Drover!“, wiederholte sie streng, und ihr Gesicht wurde abwechselnd rot und blass. „Hören Sie mir zu! Dieser Gentleman ist nicht mein Bruder, und ich kann Ihnen nicht deutlich genug sagen, wie sehr ich Ihren Überfall missbillige …“ Doch ihre leidenschaftliche Rede verstummte abrupt, als sie plötzlich spürte, wie sie von Jason mit starken, und gleichzeitig sanften, beinahe zärtlichen Händen bei den Schultern genommen, angehoben und neben ihn gestellt wurde, als hätte sie das Gewicht einer Porzellanpuppe.
    Mr. Drover wich einen Schritt zurück, als Jason ihm die Hand hinhielt. „Ich glaube, man hat uns nicht vorgestellt, Sir. Ich bin Sir Jason Hunter.“
    Samuel Drover betrachtete misstrauisch die ihm hingestreckte Hand. Er hatte einen Gentleman mit dunklem Haar und angenehmem Aussehen vorgefunden, der sich offensichtlich in Westlea House wie zu Hause fühlte, und war sofort zu dem Schluss gekommen, dass es sich bei dem Mann um den Knauser handeln musste, mit dem Mrs. Marlowe verwandt war. „Wie soll ich wissen, dass Sie nich’ der Bruder dieser Dame hier sind?“, fragte er, schüttelte Jason indes kurz die Hand.
    „Sollten Sie einen Beweis verlangen, wäre meine Mutter womöglich bereit, meine Identität zu bestätigen, allerdings erst, nachdem sie Ihnen eine Ohrfeige verpasst hätte.“ Das war keine leere Drohung. Die verwitwete Lady Hunter war für ihr feuriges Temperament bekannt, das selbst jetzt, da sie das sechste Jahrzehnt erreicht hatte, bedauerlicherweise nicht ausgeglichener geworden war.
    Samuel Drover schien zu überlegen. Mit einem resignierten Seufzer beschwerte er sich: „Nun, wer immer Sie sind, ich will mein Geld. Und versuchen Sie bloß nich’, junge Frau, mich reinzulegen und bei einem anderen Händler zu bestellen. Ich werd allen hier inner Gegend sagen, dass Sie bloß keine Geschäfte mit Ihnen machen sollen. Darauf können Sie Gift nehmen.“
    Helen brachte vor Demütigung kein Wort heraus und bekam nur verschwommen mit, dass Jason Mr. Drover in einem, wie es ihr schien, sehr energischen Griff bei den Schultern packte. Der Griff

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